04.09-05.09.2024, Saint-Gall (Suisse)

10e édition du Festival Suisse des Méthodes Qualitatives

Das Seminar für Soziologie an der Universität St. Gallen organisiert mit dem Fachbereich Soziale Arbeit der Ost (Ostschweizer Fachhochschule) St.Gallen das 10. Schweizer Methoden­festival zu qualitativen Forschungs­methoden, in Zusammen­arbeit mit der Schwei­zerischen Gesellschaft für Soziologie und der Schweizerischen Ethnologischen Gesellschaft. Das Festival wird von der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Ost unterstützt. Das Festival findet am 4. und 5. September 2024 statt.

Zielsetzung und Angebot

Das 10. Schweizer Methodenfestival bietet die Gelegenheit, in konzentrierter Form durch verschiedene Veranstaltungsformen – Keynotes und Forschungsateliers – einen Überblick über den state of the art einer breiten Palette qualitativer Forschungsmethoden zu erhalten. Renommierte Expertinnen und Experten stellen sich zur Verfügung, im Rahmen von 15 Forschungsateliers auf konkrete Fragen der Teilnehmenden einzugehen und empirische Forschungs­projekte von einzelnen Teilnehmenden zu diskutieren. Die Veranstaltung trägt dazu bei, die qualitative Forschungsgemeinschaft zusammenzuführen.

Teilnehmende

Das Schweizer Methodenfestival richtet sich an sämtliche Studierende und Forschende der Sozial- und Geistes­wissenschaften, die sich für qualitative Methoden interessieren.

Programmkomitee

  • Florian Elliker und Thomas S. Eberle, Seminar für Soziologie, Universität St. Gallen
  • Peter Schallberger, OST – Ostschweizer Fachhochschule
  • Claudine Burton-Jeangros, Schweizerische Gesellschaft für Soziologie
  • Ellen Hertz, Schweizerische Ethnologische Gesellschaft

Programm

Mittwoch, 4. September 2024

  • Registration und Kaffee (ab 8 Uhr)
  • Eröffnung (9:30 Uhr)
  • Keynote von Susanne Friese: Künstliche Intelligenz in der qualitativen Forschung: ein neuer Horizont (Beginn: 9:45)

Parallele Forschungsateliers 11.00 Uhr bis 15.15 Uhr (Lunchpause ca. 12–13 Uhr)

  • Lebensweltanalytische Ethnographie: Michaela Pfadenhauer, Universität Wien, und Paul Eisewicht, Technische Universität Dortmund
  • Qualitative Datenanalyse neu denken mit Generativer Künstlicher Intelligenz (KI): Susanne Friese, Qeludra
  • Problemzentriertes Interview: Herwig Reiter, Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden des Deutschen Jugendinstituts
  • Empirische Phänomenologie: Patrik Aspers, Universität St.Gallen
  • Wissenssoziologische Bildhermeneutik: Jürgen Raab, Universität Koblenz-Landau und Sebastian Hoggenmüller, Universität Luzern

Parallele Forschungsateliers 15.45 Uhr bis 19.00 Uhr

  • Grounded-Theory-Methodologie: Günter Mey, Hochschule Magdeburg-Stendal und Institut für Qualitative Forschung, Internationale Akademie Berlin
  • Wissenssoziologische Diskursethnographie: Florian Elliker, Universität St.Gallen
  • Organisationsethnographie: Christoph Maeder, St.Gallen
  • Situationsforschung mit Vignetten: Katharina Miko-Schefzig, Wirtschaftsuniversität Wien
  • Objektive Hermeneutik: Peter Schallberger und Alfred Schwendener, OST Ostschweizer Fachhochschule

Donnerstag, 5. September 2024

  • Keynote von Günter Mey: Performative Sozialwissenschaft – Mit künstlerischen Mitteln qualitative Forschung gestalten (Beginn: 9:45)

Parallele Forschungsateliers 11.00 bis 15.15 Uhr (Lunchpause ca. 12–13 Uhr)

  • Videographie und fokussierte Ethnographie: Hubert Knoblauch, TU Berlin
  • Wissenssoziologische Sequenzanalyse: Jo Reichertz, Institute for Advanced Studies in the Humanities, University Alliance Ruhr, KWI Essen
  • Foucaultsche Diskursanalyse: Rainer Diaz-Bone, Universität Luzern
  • Wie kann man beschreibende Beobachtung unterrichten? Eine Einführung in SELIN, einem Online-Lehrmittel für die Beobachtungswissenschaften: Wiebke Wiesigel and Ellen Hertz, Universität Neuenburg
  • Datenanalyse mit Künstlicher Intelligenz: Sozialwissenschaftliches Prompt Engineering mit der Dokumentarischen Methode: Fabio Lieder und Burkhard Schäffer, Universität der Bundeswehr München

Inhaltliches Konzept

Die einzelnen Forschungsateliers werden unten näher beschrieben. Einzelne Doktorierende und Postdocs haben im Rahmen parallel geführter Forschungsateliers die Gelegenheit, konkrete methodische Aspekte ihrer Forschungsprojekte zu präsentieren. Die Leiterinnen und Leiter der Forschungsateliers entscheiden selbst, welche Arbeiten vorgestellt werden.

Tagungsgebühr

Die Tagungsgebühr beträgt 100 Fr. für die ganze Tagung. Inbegriffen sind Kaffee, Mineralwasser und ein Apéro am Mittwochabend, an dem die Teilnehmenden mit den Expertinnen und Experten ungezwungen in Kontakt kommen können.

Bons für Mittagessen in der Mensa der Fachhochschule können bei der Anmeldung gekauft werden (15 Fr./Essen).

Die Gebühr für die Tagung ist im Voraus zu entrichten.

Anmeldung

Die Anmeldung für die Teilnahme mit oder ohne Präsentation des eigenen Forschungsprojekts geschieht per Online-Formular unter folgendem Link:

https://forms.gle/Ffof7zzxtjiSFrTW7

Die Anmeldung ist ab sofort möglich. Zu früh eintreffende Anmeldungen können nicht berücksichtigt werden. Die Plätze für die einzelnen Forschungsateliers sind begrenzt und werden auf einer First-come-first-serve-Basis vergeben. Anmeldeschluss ist der 26. Mai 2024. Sie erhalten nach dem 1. Mai innert weniger Tage Bescheid, in welchem Forschungsatelier Sie einen Platz erhalten haben. Es wird empfohlen, für jeden der drei Halbtage auch eine zweite und dritte Präferenz anzugeben für den Fall, dass das gewünschte Atelier schon ausgebucht ist. Für eine gültige Anmeldung muss die Zahlung der Teilnahmegebühr bis 26. Juni 2024 erfolgt sein. Die Kontoangaben für die Überweisung werden ihnen im Bestätigungs-E-Mail mitgeteilt.

Die Teilnehmerzahl ist auf 170 begrenzt.

Inhalte der einzelnen Forschungsateliers

Lebensweltanalytische Ethnographie

Michaela Pfadenhauer, Universität Wien und Paul Eisewicht, Universität Münster

Ethnographien versprechen nicht nur ein gewisses Abenteuer in der Erkundung fremder Welten (auch der eigenen Gesellschaft), sondern auch, dass man damit sozialen Phänomenen und Antworten auf eigene Forschungsfragen irgendwie ‘näher’ kommt als mit anderen methodischen Zugängen. Zugespitzt formuliert, radikalisiert die lebensweltanalytische Ethnographie den Anspruch darauf, die Binnenperspektive kleiner sozialer Lebenswelten zu rekonstruieren, indem sie die Teilnahme am sozialen Geschehen gegenüber der Beobachtung priorisiert. In der beobachtenden Teilnahme zeichnet sich diese Ausprägung der Ethnographie nicht nur gegenüber anderen Verfahren der so genannten qualitativen Sozialforschung, sondern auch gegenüber anderen ethnografischen Ansätzen aus. Es geht hier also nicht nur um das Dabeisein, um möglichst nahe am Geschehen zu sein und einen möglichst unverstellten, uneingeschränkten Blick auf die Praktiken der Feldakteure zu erhalten. Es geht vielmehr um ein Mittun und Selbermachen, das Erlebensdaten generiert, die einen zusätzlichen Beitrag zur Rekonstruktion der Perspektiven erlauben. Damit einher gehen aber auch Anforderungen an den Umgang mit den so gewonnenen Daten und die Verknüpfung verschiedener Datensorten in der Analyse, welche eine weitere Besonderheit des Ansatzes kennzeichnen. 

Diese von Anne Honer (1993) als «lebensweltlich» etikettierte Ausrichtung der Ethnographie steht im Zentrum dieses Forschungsateliers. Sie wird zunächst im Kanon der empirischen Sozialforschung und ethnographischer Ansätze verortet. Die für diese Form der Ethnografie wesentlichen Methoden der Datenerhebung und der Datenauswertung werden vorgestellt und diskutiert. Anhand von Beispielen aus eigenen empirischen Studien wird verdeutlicht, wie sich Beobachtung durch Teilnahme produktiv ergänzen lässt. Daran soll deutlich werden, wo die Stärken, aber auch die Grenzen dieses Ansatzes für welche Forschungsfragen liegen. Teilnehmenden soll dabei auch ermöglicht werden eigene und andere ethnographische Ansätze in Bezug setzen zu können, um deren Passung zur eigenen Forschung besser einschätzen zu können.

Kontakt: michaela.pfadenhauer@univie.ac.at (E-Mail) und paul.eisewicht@uni-muenster.de (E-Mail)

Literatur zur Einstimmung

  • Hitzler, Ronald & Eisewicht, Paul (2016/2020). Lebensweltanalytische Ethnographie – im Anschluss an Anne Honer. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
  • Honer, Anne (2011). Kleine Leiblichkeiten. Wiesbaden: VS Verlag.
    Hitzler, Ronald (1999). Welten erkunden. Soziologie als (eine Art) Ethnologie der eigenen Gesellschaft. Soziale Welt 50(4): 473-482.
  • Pfadenhauer, Michaela (2017). Grenzziehungen, Grenzverläufe, GrenzgängerInnen. Zum kulturanalytischen Potenzial der Ethnografie [31 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung /Forum: Qualitative Social Research, 18(1), Art. 12, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1701121.

Qualitative Datenanalyse neu denken mit Generativer Künstlicher Intelligenz (KI)

Susanne Friese, Qeludra

In diesem Forschungsatelier geht es darum, die qualitative Datenanalyse neu zu denken – und zwar weit über die Grenzen des Kodierparadigmas hinaus. Viele der gängigen Methoden der qualitativen Auswertung, die seit rund fünf Jahrzehnten in diesem Paradigma verwurzelt sind und uns gute Dienste geleistet haben, stehen nun angesichts der Möglichkeiten, die uns neue Technologien wie Large Language Models bieten, zur Debatte. Die zentrale Frage, die im Atelier diskutiert wird, lautet: Ist das Kodieren von Daten in der Ära der KI noch immer notwendig?

Im Forschungsatelier wird ein neuer, dialogorientierter Ansatz vorgestellt, bei dem die Teilnehmenden gemeinsam mit einem KI-Assistenten in den Prozess der Datenanalyse eintauchen – ohne dass das Datenmaterial im Vorfeld kodiert wird. Dieses Vorgehen macht ein direktes und intuitives Arbeiten mit den Daten möglich. Zur Anwendung kommt dabei ein von der Atelierleiterin zu diesem Zweck entwickeltes Tool, das allen Teilnehmenden des Ateliers zur Verfügung gestellt wird. Die Teilnehmenden werden gebeten, einen Laptop oder ein Tabletcomputer mitzubringen. (Das Tool läuft in einem Internetbrowser und kann bei genügend grossem Bildschirm auch mit einem Smartphone bedient werden.)

Einzelne Teilnehmende haben die Möglichkeit, im Vorfeld des Ateliers das Tool für ihr eigenes empirisches Projekt zu verwenden und die Ergebnisse sowie Erfahrungen mit allen Anwesenden zu diskutieren. Damit genügend Zeit für die Vermittlung der Atelierinhalte bleibt, können maximal zwei Projekte diskutiert werden.

Kontakt: susanne.friese@qeludra.com (E-Mail)

Literatur zur Vorbereitung

  • Christou, P. (2023a). How to Use Artificial Intelligence (AI) as a Resource, Methodological and Analysis Tool in Qualitative Research? The Qualitative Report, 28(7), 1968-1980. https://doi.org/10.46743/2160-3715/2023.6406
  • Christou, P. (2023b). The Use of Artificial Intelligence (AI) in Qualitative Research for Theory Development. The Qualitative Report, 28(9), 2739-2755. https://doi.org/10.46743/2160-3715/2023.6536
  • Gao, J., Tsu, K. Choo, W., Cao, J. Lee, R.K.W. and Perrault, S (2023). CoAIcoder: Examining the Effectiveness of AI-assisted Human-to-Human Collaboration in Qualitative Analysis. https://doi.org/10.48550/arXiv.2304.05560 or arXiv:2304.05560 [cs.HC]
  • Hitch, Danielle, Artificial Intelligence (AI) Augmented Qualitative Analysis: The Way of the Future? (May 17, 2023). Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4451740 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.4451740
  • Morgan, D. L. (2023). Exploring the Use of Artificial Intelligence for Qualitative Data Analysis: The Case of ChatGPT. International Journal of Qualitative Methods, 22. https://doi.org/10.1177/16094069231211248
  • Zhang, H., Chuhao, W., Jingyi, X. Yao L., Jie, C. and Carroll, J. M. (2023) Redefining Qualitative Analysis in the AI Era: Utilizing ChatGPT for Efficient Thematic Analysis. College of Information Sciences and Technology, Penn State University, USA. https://doi.org/10.48550/arXiv.2309.10771 or arXiv:2309.10771v1 [cs.HC]

Problemzentriertes Interview

Herwig Reiter, DJI – Deutsches Jugendinstitut, Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden, München

Das problemzentrierte Interview (PZI) ist ein qualitatives Interviewverfahren zur Sammlung und dialogischen Rekonstruktion subjektiver Sichtweisen auf gesellschaftlich und individuell relevante Themen und Fragestellungen. Erzählungs- und verständnisgenerierende Kommunikationsstrategien der allgemeinen bzw. spezifischen Sondierung dienen der Stimulation von Narrationen, Beschreibungen und Argumentationen und bringen wissenschaftliches Vorwissen und praktisches Alltagswissen in einen reflexiven Austausch. Dadurch werden offene und theoretisch sensibilisierende Aspekte des Forschungshandelns kombiniert. In Anlehnung an Alltagsgespräche betrachtet das PZI den Austausch von Wissen und die Ko-Konstruktion von Interpretationen in Interviews als eine gemeinsame Leistung der beteiligten Personen. Das PZI ergänzt die allen qualitativen Interviewverfahren gemeinsame Praxis des aktiven Zuhörens programmatisch um den Prozess des aktiven Verstehens – d.h. die Interviewsituation wird auch dazu genutzt, erste Interpretationen direkt im laufenden Gespräch und gemeinsam mit den interviewten Personen zu klären. Als Methode des partizipativen Fremdverstehens überlässt das PZI den Interviewten im Rahmen eines korrektiven Austauschs somit einen Moment der Kontrolle über die Entwicklung von Interpretationen der Interviewenden.

Der erste Teil des Forschungsateliers diskutiert programmatische, methodologische, methodische und praktische Besonderheiten des PZI. Im zweiten Teil wird es die Möglichkeit geben, interviewbezogene Aspekte eigener Forschungsarbeiten im Hinblick auf den Ansatz zu diskutieren.

Kontakt: reiter@dji.de (E-Mail)

Literatur

  • Reiter, Herwig (2019) The problem-centred approach for researching biographical uncertainty and risk. In: Olofsson, Anna/Zinn, Jens O. (eds.) Researching risk and uncertainty. Methodologies, methods and research strategies. Cham: Palgrave Macmillan. 153-180.
  • Reiter, Herwig/Witzel, Andreas (2019) Problem-centred interview. In: Atkinson, Paul/Delamont, Sara/Cernat, Alexandru/Sakshaug, Joseph W./Williams, Richard A. (eds.) SAGE Research Methods Foundations. https://methods.sagepub.com/foundations/problem-centred-interview
  • Witzel, Andreas (1982) Verfahren der qualitativen Sozialforschung. Überblick und Alternativen. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
  • Witzel, Andreas & Reiter, Herwig (2012) The problem-centred interview. Principles and practice. London: Sage. https://uk.sagepub.com/en-gb/eur/the-problem-centred-interview/book234106#preview
  • Witzel, Andreas/Reiter, Herwig (2021): Das problemzentrierte Interview. SocArXiv Papers. https://doi.org/10.31235/osf.io/uetq8
  • Witzel, Andreas/Reiter, Herwig (2022) Das problemzentrierte Interview – eine praxisorientierte Einführung. Weinheim Basel: Beltz Juventa

Empirische Phänomenologie

Patrik Aspers, Universität St.Gallen

Ziel dieses Forschungsateliers ist eine praktisch orientierte Einführung in die empirische Phänomenologie. Die Phänomenologie gilt seit Anfang der 1970er-Jahre als einer der wichtigsten qualitativen Ansätze, der auch eine Hauptrolle im Entwicklungsprozess der qualitativen Forschung gespielt hat. Die Phänomenologie orientiert sich an dem, «was erscheint». Für empirisch orientierte qualitativ Forschende heisst «Erscheinung»: Was erscheint für wen, wann und wie?

Was bedeutet das für qualitativ Forschende? Mit den Texten von Edmund Husserl, Martin Heidegger und vor allem Alfred Schütz als Hintergrund werden wir mit konkreten Methoden die subjektive Perspektive als Ausgangspunkt benutzen und analysieren. Dabei geht es nicht um die erwähnten Philosophen und deren Texte, sondern um die praktische Applikation dieses Ansatzes. Wir werden erörtern, wie wir mit klassischen qualitativen Methoden wie Interview und teilnehmender Beobachtung sinnvoll umgehen können. Das Forschungsatelier wird sich vorrangig mit den praktischen und empirischen Fragen beschäftigen, die von den Teilnehmenden eingebracht werden.

Folgende Fragen sollen beispielsweise beantwortet werden:

  • Unter welchen Bedingungen, empirischen wie theoretischen, können die phänomenologischen Grundannahmen berücksichtig werden, und wie kann die Phänomenologie in praktische Feldforschung umgesetzt werden?
  • Lässt sich Materialität mit phänomenologischen Methoden analysieren?
  • Gibt es empirische Methoden, die besser oder wenig gut für diesen Forschungsansatz geeignet sind?

Die Hauptfrage der Sitzung lautet: Welche Rolle spielt die Theorie in Forschungsprozessen? Wie kann man überhaupt phänomenologische Evidenz unter theoretische Begriffe einordnen? Um diese und andere Fragen beantworten zu können, werden wir das Verhältnis zwischen deduktiver und induktiver Begriffsbildung und die Rolle der Theorie als zentrales Studienobjekt beleuchten. Diese Fragen können wir theoretisch analysieren, aber noch besser mit den konkreten Fällen und Beispielen von den Teilnehmenden.

Kontakt: patrik.aspers@unisg.ch (E-Mail)

Literatur zur Einführung

Wissenssoziologische Bildhermeneutik

Jürgen Raab, RPTU Kaiserslautern-Landau und Sebastian Hoggenmüller, Universität Luzern & HSLU – Design Film Kunst

Bilder tragen mit ihrer spezifischen kommunikativen Qualität entscheidend zur kommunikativen Konstruktion, Tradierung, Stabilisierung und Veränderung von persönlichen und kollektiven Identitäten sowie von gesellschaftlichem Wissen und sozialer Wirklichkeit bei. Der Workshop widmet sich den Herausforderungen, Problemen und Potenzialen der methodisch kontrollierten sozialwissenschaftlichen Analyse von Bildern in unterschiedlichen Erscheinungsformen (Fotografien, Collagen, Gemälden, Infografiken, Comics etc.). Aus den wissenssoziologischen Ansätzen der Bildhermeneutik werden insbesondere Konstellationsanalyse und Ästhetische Re|Konstruktionsanalyse als interpretative Zugänge zur symbolischen Ordnung von Einzelbilddarstellungen und vergleichenden Bildanordnungen vorgestellt, diskutiert und an konkreten Fallbeispielen erprobt. 

Nach der Bestätigung der Teilnahme durch die Organisator*innen werden Teilnehmende, die eigene Materialien in das Forschungsatelier einbringen möchten und sich als aktiv angemeldet haben, aufgefordert, diese an raab.juergen@rptu.de und sebastian.hoggenmueller@unilu.ch zu senden.

Kontakt: raab.juergen@rptu.de (E-Mail) und sebastian.hoggenmueller@unilu.ch (E-Mail)

Literatur

  • Hoggenmüller, Sebastian W. & Raab, Jürgen (2022). Bilder. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (3. Auflage, Bd. 2, S. 1581–1598). Wiesbaden: Springer VS. DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.7307224.
  • Hoggenmüller, Sebastian W. (2016). Die Welt im (Außen-)Blick. Überlegungen zu einer ästhetischen Re|Konstruktionsanalyse am Beispiel der Weltraumfotografie ‚Blue Marble‘, Zeitschrift für Qualitative Forschung, 17/1+2, 11–40. DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.5094288.
  • Hoggenmüller, Sebastian W. (2020). Globalisierungsforschung als Bildforschung. Zur bildlichen Erzeugung globaler Beobachtungsordnungen und ihrer Analyse. In Hannah Bennani, Martin Bühler, Sophia Cramer & Andrea Glauser (Hrsg.), Global beobachten und vergleichen. Soziologische Analysen zur Weltgesellschaft (S. 435–472). Frankfurt am Main & New York: Campus. DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.5060095.
  • Hoggenmüller, Sebastian W. (2022). Globalität sehen. Zur visuellen Konstruktion von »Welt«. Frankfurt am Main & New York: Campus. DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.7347102.
  • Raab, Jürgen (2012). Visuelle Wissenssoziologie der Fotografie. Sozialwissenschaftliche Analysearbeit zwischen Einzelbild, Bildsequenz und Bildkontext, Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 2, 121–142. DOI: https://doi.org/10.1007/s11614-012-0025-7.
  • Raab, Jürgen (2017). Fotografie und Phänomenologie. Zur Methodologie einer wissenssoziologischen Konstellationsanalyse. In Thomas Eberle (Hrsg.), Fotografie und Gesellschaft. Phänomenologische und wissenssoziologische Perspektiven (S. 381–393). Bielefeld: transcript. DOI: https://doi.org/10.14361/9783839428610-022.
  • Raab, Jürgen (2019). Gute Bilder – böse Bilder. Bildethiken moralischer Kollektive. In Stefan Joller & Marija Stanisavljevic (Hrsg.), Moralische Kollektive (S. 299–326). Wiesbaden: Springer VS. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-22978-8.

Grounded-Theory-Methodologie

Günter Mey, Hochschule Magdeburg-Stendal und Institut für Qualitative Forschung, Internationale Akademie Berlin

Die Grounded-Theory-Methodologie (GTM) – in der Soziologie von Barney Glaser und Anselm Strauss vor fast 60 Jahren begründet – ist eine der am weitest verbreiteten qualitativen Forschungsansätze. Mittlerweile liegen unterschiedliche Positionen vor, insbesondere geprägt von der «Second Generation» – vor allem durch Kathy Charmaz und Adele Clarke. Die GTM wird nicht nur mit anderen Ansätzen wie Narrationsanalyse, Diskursforschung oder Action Research in Verbindung gebracht, auch weitet sich der Datenbezug über Texte aus und es werden Artefakte (v.a. Bilder/Fotos und Filme/Videos) einbezogen und entsprechend die GTM-Prozeduren adaptiert.

Im Forschungsatelier geht es vor allem darum, orientiert an den Fragen und dem Bedarf der Teilnehmenden und an konkretem Material die wesentlichen Konzepte (u.a. Theoretische Sensibilität) und Auswertungsschritte (v.a. offenes, axiales und selektives Kodieren, wie es in der GTM-Variante nach Strauss/Corbin vorgeschlagen wird, bzw. initiale und fokussierte Kodierung sensu Charmaz) sowie Planungsfragen (u.a. Theoretisches Sampling) gemeinsam zu besprechen.

Vor dem Hintergrund dieser Schwerpunktsetzung können als Materialien zur Besprechung eingereicht werden:

  • Forschungsskizzen zur Diskussion von Projektplanungen/Forschungsdesigns
  • Transkripte/Daten zum Kodieren
  • Netzwerkkarten/Visualisierungen

Die endgültige Planung orientiert sich an den eingereichten Materialien. Die Auswahl wird von dem Interesse geleitet sein, möglichst verschiedene Stationen im Prozess einer GTM-Studie ansprechen zu können. Damit der Werkstattcharakter eingelöst werden kann, können maximal zwei Projekte (Exposé/Daten) diskutiert werden.

Kontakt: mey@qualitative-forschung.de (E-Mail)

Literatur

  • Überblickstext: Mey, Günter (2022). Grounded-Theory-Methodologie. In Uwe Wolfradt, Lars Allolio-Näcke & Paul Sebastian Ruppel (Hrsg.), Kulturpsychologie: Eine Einführung (S.193-203). Wiesbaden: Springer.
  • Bryant, Anthony & Charmaz, Kathy (Hrsg.) (2019). The Sage Handbook of Current Developments in Grounded Theory. London: Sage.
  • Glaser, Barney & Strauss, Anselm (1967). The Dicovery of Grounded Theory. New York: Aldine.
  • Mey, Günter & Mruck, Katja (2011). Grounded Theory Reader (2. erw. u. überarb. Aufl.). Wiesbaden: VS.
  • Morse, Janice M.; Stern, Phyllis Noerager; Corbin, Juliet; Bowers, Barbara; Charmaz, Kathy & Clarke, Adele E. (Hrsg.) (2009). Developing grounded theory. The second generation. Walnut Creek, CA: Left Coast Press.
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

Organisationsethnographie

Christoph Maeder, St.Gallen

Die Ethnographie von Organisationen zeichnet sich im Hinblick auf Theorieansatz, Feldarbeit, Datentypen und -analysen durch einige Besonderheiten gegenüber anderen Arten von Forschung mittels teilnehmender Beobachtung aus. So muss sinnvollerweise bereits vor der Feldphase eines Forschungsprojekts geklärt werden, welche Ansätze aus dem Register der interpretativen Theorien zur Organisation benützt werden sollen (Eberle 2019). Diese Wahl bestimmt dann die möglichen Untersuchungsgegenstände und hat einen Einfluss darauf, welche Daten, neben den klassischen Feldprotokollen, noch eine Rolle spielen (Eberle und Maeder 2021).

Dabei spannt sich ein weiter soziologischer Bogen der Möglichkeiten von ethnomethodologisch ausgerichteten Zugriffen auf Praktiken (Hirschauer 2017) und Sprechen (Keppler 1994; Silverman 1998), hin zu Goffman’sche Situations- und Rahmenanalysen (Goffman 1980) über die Sozialen Welten (Clarke 1991; Maeder & Knoll 2020) und die spezielle Ethnographie der Formulare (Smith 2006) hin zu den klassischen Formaten des symbolischen Interaktionismus in Feldern von Berufen und Professionen (Fine 2007). Ethnographische Forschung zu Organisationen gibt es auch in der Ethnologie (z.B. Wright & Shore 2015) und den Cultural Studies (z.B. Showalter 1997). Eine Spezialität in diesem Kontext, die in diesem Forschungsatelier vorgestellt wird, stellt dabei die aus der kognitiven Anthropologie stammende Ethnosemantik dar (Maeder & Brosziewski 2019).

Im Forschungsatelier wird auf die wichtigsten theoretischen Aspekte dieser Forschung über Organisationen und auf die Besonderheiten der Feldarbeit in organisationalen Kontexten eingegangen. Die Fragen der Teilnehmenden werden im Vorfeld der Veranstaltung per E-Mail eingesammelt und besprochen. Auch besteht für einzelne Interessierte die Möglichkeit, im Forschungsatelier ein eigenes Projekt kurz vorzustellen und methodische Fragen zur Diskussion zu stellen.

Kontakt: christoph.maeder@em.phzh.ch (E-Mail)

Literatur zur Einstimmung

  • Eberle, Thomas und Christoph Maeder. 2021. “Organizational Ethnography.” Pp. 129-145 in Qualitative Research. Fifth Edition, Hg. David Silverman. London: SAGE Publications Ltd.
  • Eberle, Thomas. 2019. “Interpretative Organisationsanalyse.” S. 212-229 in Interpretative Sozialforschung: Die Entwicklung in Wien, Hg. Michaela Pfadenhauer und Elisabeth Scheibelhofer. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
  • Maeder, Christoph. 2020. “Auf die Worte kommt es an: Die soziale Situation in der ethnosemantischen Annäherung an das Feld.” S. 102-114 in 7. Fuldaer Feldarbeitstage. Ethnographie der Situation. Erkundungen sinnhaft eingrenzbarer Feldgegebenheiten, Hg. Norbert Schröer, Angelika Poferl und Michaela Pfadenhauer. Essen: Oldib.

Wissenssoziologische Diskursethnographie

Florian Elliker, Universität St.Gallen

Unter Diskursforschung versteht man üblicherweise Ansätze, welche Diskurse auf der Basis sog. «natürlicher Daten» rekonstruieren. Vieler dieser Ansätze stützen sich dabei auf Texte, die in zentraler Weise in die Praxis gesellschaftlicher Institutionen wie den Massenmedien oder dem Rechtssystem eingebettet sind. Die Diskursethnographie unterscheidet sich von diesen Ansätzen dadurch, dass sie Diskurse nicht nur auf der Makro-Ebene analysiert, sondern in ihrer spezifischen Ausprägung in konkreten Situation untersucht.

Grundlage der wissenssoziologischen Diskursethnographie ist die Annahme, dass soziale Situationen nicht nur durch Diskurse, sondern durch verschiedene andere Strukturen und Kontexte geprägt sind. Ziel und Herausforderung eines diskursethnographischen Projekts ist es daher zu zeigen, wie Diskurse im Zusammenspiel dieser Elemente lokal spezifische Effekte zeitigen. Im Fokus stehen dabei die Effekte und Verwendung von Diskursen in alltäglichen sozialen Situationen.

Ein diskursethnographisches Vorgehen beruht vor allem (aber nicht nur) auf der Erhebung von Daten durch teilnehmende Beobachtung und Interviews. Dieses Vorgehen erlaubt es, all jene diskursiven und nichtdiskursiven Praktiken der Diskurs(re)produktion zu erfassen, die sich nicht in «natürlichen Daten» manifestieren. Die methodologische Herausforderung besteht darin, durch entsprechende Samplingstrategien und der Auswahl der geeigneten Datentypen die lokal sich manifestierenden Diskurse als translokale Phänomene rekonstruieren zu können.

Der Schwerpunkt des Forschungsateliers besteht in der Darstellung des theoretischen Rahmens der wissenssoziologischen Diskursethnographie, der unterschiedlichen, analytischen Schwerpunkte sowie der entsprechenden Samplingstrategien. Es werden zudem kurz die unterschiedlichen Richtungen im sich neu entwickelnden Feld diskursethnographischer Forschung vorgestellt.

Im Zentrum stehen die Fragen der Teilnehmenden – sie werden bereits im Vorfeld per Email eingesammelt. Einzelne Teilnehmende haben zudem die Möglichkeit, ein eigenes empirisches Projekt vorzustellen und es mit allen Anwesenden zu diskutieren. Da es sich um einen neueren Forschungsansatz handelt, sind auch solche diskursethnographischen Projekte willkommen, die nicht explizit in der wissenssoziologischen Tradition zu verorten sind.

Kontakt: florian.elliker@unisg.ch (E-Mail)

Literatur

  • Elliker, Florian, Rixta Wundrak & Christoph Maeder (Hrsg.) (2017) The sociology of knowledge approach to discourse ethnography. Thematic Issue of the Journal for Discourse Studies/Zeitschrift für Diskursforschung, 5(3), 232–326. (Link)
  • Elliker, Florian (2018). Studying discourses ethnographically. A sociology of knowledge approach to analysing macro-level forces in micro-settings. In: Reiner Keller, Anna-Katharina Hornidge & Wolf Schünemann (Hrsg.). The Sociology of Knowledge Approach to Discourse. Investigating the Politics of Knowledge and Meaning-Making. London: Routledge, S. 254–273. (Link)
  • Elliker, Florian (2023). Diskursethnographie. In: Angelika Poferl und Norbert Schröer (Hrsg.), Handbuch Soziologische Ethnographie. Wiesbaden: Springer VS.
  • Keller, Reiner (2011). Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Wiesbaden: Springer VS.
  • Spradley, James P. (1980) Participant Observation. New York: Holt, Rinehart & Winston.

Situationsforschung mit Vignetten

Katharina Miko-Schefzig, Wirtschaftsuniversität Wien

Das Forschungsatelier bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene Konzepte und Anwendungen von Vignetten als Elizitierungsverfahren in Einzel- oder Gruppeninterviews. Vignetten sind multimodale Beschreibungen von Situationen. Die «Situation» ist ein altes, aber jüngst wieder häufig diskutiertes soziologisches Konzept, das von verschiedenen theoretischen Strömungen als empirischer Fokus aufgegriffen wurde. Situation kann dabei als Kontinuum betrachtet werden, das von der Interaktion zwischen Anwesenden, wie es beispielsweise in Goffmans Tradition (2009) geschieht, bis hin zu umfassenderen situativen Phänomenen, reicht. Bei letzterem wird auch die Ebene der Organisationen und Diskurse einbezogen, wie es im Verständnis von Clarke (2012) zum Ausdruck kommt. 

Im Workshop werden verschiedene Konzepte und Anwendungen von Vignetten vorgestellt (z.B. Wodak 2015; Stiehler et al. 2012; Jenkins et al. 2010; Kandemir & Budd 2018) und ihre Relevanz für unterschiedliche empirische Fragestellungen erörtert. Dabei wird die Vielfalt von Situationsdefinitionen und deren Erfassung in Vignetten betrachtet und anhand konkreter Beispiele aus der Forschung der Referentin präsentiert und diskutiert. Die Teilnehmer*innen sind dazu eingeladen, sowohl Forschungsdesigns zu situativen Fragestellungen als auch Vignetten einzubringen und deren Konstruktion und Einsatz zu besprechen. 

Zusätzlich zu dieser Einführung wird eine spezifische Art von Vignette vorgestellt: die Vignette als typisierte Situation, wobei auf die sozial-ökologische Tradition des Situationsverständnisses Bezug genommen wird. Diese hebt «die Situation zum Forschungsprogramm» hervor und versteht sie als «Perspektive für kollektive Verhaltensweisen» (vgl. Echterhölter 2013, 21). Dieser Ansatz unterscheidet sich von einer Betrachtung der individuellen existenziellen Situation oder einer rein internalistischen Analyse von Motivationen. Stattdessen fokussiert er auf Gruppierungen, die in ihrem sozialen Kontext verschiedenen Machtfaktoren ausgesetzt sind. Im Atelier wird erörtert, wie Vignetten als Zwischenergebnisse und Ausgangspunkte für andere Datenerhebungsmethoden dienen können. Dabei werden ihre analytischen und transformatorischen Potenziale betont. Letzteres ist ein Anschluss an die performative Sozialforschung. Außerdem werden Vignetten als spezifische Elizitierungsmethode positioniert und ihre Unterschiede zu anderen Ansätzen verdeutlicht.

Teilnehmende, die eigene Materialien in das Forschungsatelier einbringen möchten und sich als aktiv angemeldet haben, werden – nach der Bestätigung der Teilnahme durch die Organisator_innen – gebeten, diese zeitnah an katharina.miko-schefzig@wu.ac.at zu senden.

Kontakt: katharina.miko-schefzig@wu.ac.at (E-Mail)

  • Miko-Schefzig, Katharina (2022). Forschen mit Vignetten. Gruppen, Organisationen, Transformation. Weinheim: Beltz Juventa. (Rezension: https://doi.org/10.17169/fqs-23.3.3952
  • Miko-Schefzig, Katharina & Reiter, Cornelia (2018). Partizipatives Forschen im Kontext der Organisation Polizei: Ethisches Forschen mit vulnerablen Gruppen am Beispiel der Schubhaft [47 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research,19(3), Art. 10. DOI: http://dx.doi.org/10.17169/fqs-19.3.3142.
  • Miko-Schefzig, K. (2024). Zeiten der Polarisierung: Das Potenzial der wissenssoziologischen Diskursanalyse zur Erklärung einer gespaltenen Gesellschaft. Zeitschrift für Diskursforschung, 12(1), 71-91.
  • O’Dell, L., Crafter, S., de Abreu, G., & Cline, T. (2012). The problem of interpretation in vignette methodology in research with young people. Qualitative Research, 12(6), 702-714. https://doi.org/10.1177/1468794112439003.
  • Sampson, H., & Johannessen, I. A. (2020). Turning on the tap: the benefits of using ‘real-life’ vignettes in qualitative research interviews. Qualitative Research, 20(1), 56-72. https://doi.org/10.1177/1468794118816618.

Objektive Hermeneutik

Peter Schallberger und Alfred Schwendener, OST Ostschweizer Fachhochschule

Die Objektive Hermeneutik ist eine Methodologie im Rahmen der qualitativen Sozialforschung. Sie unterscheidet sich von anderen rekonstruktiven Methodologien in ihrer Annahme, dass der subjektiv gemeinte Sinn nur erschlossen werden kann, wenn wir in der Lage sind, die objektiven Bedeutungen eines Ausdrucks oder Ausdrucksgestalt freizulegen. Forschungspraktisch bedeutet dies, dass im Rahmen der objektiven Hermeneutik die erfahrbaren und protokollierten Ausdrucksgestalten in Form eines Protokolls extensiv auf ihre möglichen Lesarten hin interpretiert werden.

In diesem Forschungsatelier werden am Anfang die wichtigsten Prinzipien des methodischen Vorgehens kurz erläutert und im Anschluss daran Protokolle aus Forschungsprojekten, die ein bis zwei Teilnehmende mitbringen, gemeinsam interpretiert. Da die objektive Hermeneutik als Kunstlehre vor allem in ihrer praktischen Anwendung erfahrbar und damit erlernbar wird, wird ein Schwerpunkt auf die gemeinsame Herausarbeitung einer intersubjektiv nachvollziehbaren Fallstrukturhypothese gelegt. Im Laufe der Interpretation wird ggf. auf weitere Prinzipien näher eingegangen (etwa die Prinzipien der Wörtlichkeit, Sequenzialität, Extensivität, Sparsamkeit etc.).

Die Objektive Hermeneutik arbeitet anhand von kurzen Protokollausschnitten eine weitreichende Fallstrukturhypothese heraus, die dann im weiteren Interpretationsprozess falsifikatorisch geprüft wird. Daher bedarf es in der Regel nur wenig Material, das aber sorgsam ausgewählt werden sollte. Im Vorfeld werden die aktiv Material einbringenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten, mit den Leitenden des Forschungsateliers über die Auswahl eines geeigneten Protokollausschnittes in Kontakt zu treten.

Kontakt: peter.schallberger@ost.ch (E-Mail) und alfred.schwendener@ost.ch (E-Mail)

Literatur zur Vorbereitung

  • Oevermann, Ulrich (2013): Objektive Hermeneutik als Methodologie der Erfahrungswissenschaften von der sinnstrukturierten Welt, in: Langer, Phil C. et al. (Hg.): Reflexive Wissensproduktion. Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialpsychologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 69–98.
  • Wernet, Andreas (2009): Einführung in die Interpretationstechnik der Objektiven Hermeneutik. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Wernet, Andreas (2021): Einladung zur Objektiven Hermeneutik. Ein Studienbuch für den Einstieg. Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Videographie und fokussierte Ethnographie

Hubert Knoblauch, TU Berlin

Das Forschungsatelier richtet sich an Forschende, die selbst mit videografischen Daten arbeiten oder zu arbeiten planen, also audiovisuelle Daten, die von den Forschenden selbst im Feld erhoben wurden. Im Forschungsatelier wird an sehr kurzen Ausschnitten eine exemplarische Datenanalysesitzung durchgeführt werden. Das Atelier richtet sich an diejenigen, die sich in der Phase der Erhebung und der Auswertung von Videoaufzeichnungen befinden oder die einer solchen Sitzung beiwohnen möchten, weil sie eine solche Erhebung planen.

Das Atelier bietet zunächst einen Überblick über die Videoanalyse sozialer Situationen. Sie umfasst Videoaufzeichnungen in «natürlichen» Situationen und die Analyse der darin stattfindende Interaktion und Kommunikation mit Hilfe von Videodaten. Wir werden die methodischen Forschungsschritte wie Datenerhebung, Selektion- und Aufarbeitung des Datenkorpus sowie die Feinanalyse exemplarisch skizzieren. Das Forschungsatelier soll vor allem Gelegenheit geben, Daten der Beteiligten zu behandeln. Für die Datenanalysesitzung werden dazu kurze Sequenzen von «natürlichen» Interaktionen ausgewählt, anhand der wir die Analyse von Videodaten miteinander einüben. Bei diesen Übungen kann nur das Material von zwei bis drei Teilnehmenden feinanalytisch untersucht werden. Nach Bestätigung der Anmeldung durch die Organisator*innen werden Teilnehmende, die eigene Materialien in das Forschungsatelier einbringen möchten und sich als aktiv angemeldet haben, aufgefordert, kurze Sequenzauszüge ihrer Videodaten und Transkripte im Vorfeld mit uns abzustimmen.

Kontakt: hubert.knoblauch@tu-berlin.de (E-Mail)

Literatur zur Vorbereitung

  • Tuma, René; Schnettler, Bernt & Knoblauch, Hubert (2013). Videographie. Einführung in die Video-Analyse sozialer Situationen. Wiesbaden: Springer VS. [→Link zum Buch]

Wissenssoziologische Sequenzanalyse

Jo Reichertz, Institute for Advanced Studies in the Humanities – University Alliance Ruhr – KWI Essen

Dieses Forschungsatelier bietet die Möglichkeit, forschungspraktisch mit der hermeneutischen Wissenssoziologie und hier insbesondere mit der Sequenzanalyse zu arbeiten. Dieses theoretische, methodologische und methodische Konzept hat zum Ziel, die gesellschaftliche Bedeutung jeder Form von Interaktion (sprachlicher wie nichtsprachlicher; face-to-face wie institutionell geformter) und aller Arten von Interaktionsprodukten (Kunst, Religion, Unterhaltung, Geschäftsordnungen etc.) zu (re-) konstruieren.

Untersucht wird, wie Handlungssubjekte – hineingestellt und sozialisiert in historisch und sozial entwickelte und abgesicherte Routinen und Deutungen des jeweiligen Handlungsfeldes – diese einerseits vorfinden und sich aneignen (müssen), andererseits diese immer wieder neu ausdeuten und damit auch «eigen-willig» erfinden (müssen). Diese selbständigen Neuauslegungen des vorgefundenen Wissens werden (ebenfalls als Wissen) ihrerseits wieder in das gesellschaftliche Handlungsfeld eingespeist und verändern es.

Das Handeln der Akteure gilt in dieser Perspektive erst dann als verstanden, wenn der Interpret/die Interpretin in der Lage ist, es aufgrund der erhobenen Daten (Interviews, Beobachtungen, Dokumente etc.) in Bezug zu dem vorgegebenen und für die jeweilige Handlungspraxis relevanten Bezugsrahmen zu setzen und es in dieser Weise für diese Situation als eine (für die Akteure) sinn-machende (wenn auch nicht immer zweck-rationale) «Lösung» nachzuzeichnen. Dies gelingt in der Regel nur mit Sequenzanalysen.

Schwerpunkt des Forschungsateliers soll die praktische Erprobung der Sequenzanalyse sein – und zwar am besten an Material, das von Teilnehmenden aus ihren Forschungsarbeiten in das Forschungsatelier eingebracht werden.

Teilnehmende, die eigene Materialien in das Forschungsatelier einbringen möchten und sich als aktiv angemeldet haben, werden – nach der Bestätigung der Teilnahme durch die Organisator_innen – gebeten, diese zeitnah an jo.reichertz@t-online.de zu senden.

Kontakt: jo.reichertz@t-online.de (E-Mail)

Literatur

  • Hitzler, Ronald, Jo Reichertz & Norbert Schröer (Hrsg.) (1999). Hermeneutische Wissenssoziologie. Standpunkte zur Theorie der Interpretation. Konstanz: U
  • Reichertz, Jo (2009). Kommunikationsmacht. Was ist Kommunikation und was vermag sie. Und weshalb vermag sie das? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Keller, Reiner & Hubert Knoblauch & Jo Reichertz (Hrsg.) (2013): Kommunikativer Konstruktivismus. Wiesbaden: Springer.
  • Reichertz, Jo (2016): Qualitative und interpretative Sozialforschung. Eine Einladung. Wiesbaden: Springer.
  • Hitzler, Ronald & Jo Reichertz & Norbert Schröer (Hrsg.) (2019): Kritik der Hermeneutischen Wissenssoziologie. Wiesbaden: Juventa.

Foucaultsche Diskursanalyse

Rainer Diaz-Bone, Universität Luzern

Die Foucaultsche Diskursanalyse ist eine nicht subjektzentrierte Form der qualitativen Sozialforschung. Es handelt sich dabei um eine Form der neostrukturalistischen „Hermeneutik“ der Praxis kollektiver Wissensproduktion und kollektiver Wissensordnungen. Die Diskursanalyse setzt die Diskurstheorie Foucaults in die empirische Analyse diskursiver Praxis von Diskursen und Interdiskurs(effekt)en als sozialwissenschaftliche Methodologie um. Sie ist keine standardisierte Schrittfolge für Diskursanalysen, sondern als „Methodo-Logie“ eine Instanz, die praktisch (a) die Organisation des diskursanalytischen Forschungsprozess reflektiert und reglementiert (von der Entwicklung der Fragestellung bis zur diskursanalytischen Erklärung sozialer Wirklichkeit), die (b) die Passung konkreter Praktiken/Instrumente/Techniken für den Forschungsprozess evaluiert und anleitet und die sich (c) in der konkreten diskursanalytischen Interpretation als Kompetenz entfaltet, wenn es in der Analyse von Materialien (Texten) darum geht, hieran die diskursive Praxis und die „Ordnung der Diskurse“ zu rekonstruieren.

Das Forschungsatelier dient zunächst der kurzen Einführung in die Foucaultsche Diskurstheorie und Diskursanalyse und dann auch der Besprechung von laufenden Forschungsprojekten (wie Dissertationsprojekten), die eine Diskursanalyse unter Verwendung Foucaultscher Konzepte unternehmen. Das Forschungsatelier wendet sich an Forscherinnen und Forscher, die empirisch-systematische Diskursanalysen beginnen wollen oder damit begonnen haben und die diese Reflexionen auf die Entwicklung des Forschungsprozesses, auf strategische Entscheidungen (wie weiter?, wie vergleichen?, was sind diskursanalytische Erklärungen und Resultate?) sowie auf die Qualität von Diskursanalysen bewerkstelligen müssen.

Kontakt: rainer.diazbone@unilu.ch (E-Mail)

Literatur

  • Diaz-Bone, Rainer (2022): What difference does Foucault’s discourse analysis make? Why discourse analysis needs to be based on the concepts of historical epistemology. In: Zeitschrift für Diskursforschung 10(2), S. 217-226.
  • Diaz-Bone, Rainer (2018): Foucaultsche Diskursanalyse und Ungleichheitsforschung. Zeitschrift für qualitative Forschung, 19 (1/2), S. 47–61, https://www.budrich-journals.de/index.php/zqf/article/view/32501/27967.
  • Diaz-Bone, Rainer (2017). Diskursanalyse. In: Mikos, Lothar/Wegener, Claudia (Hrsg.)(2017): Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch (2. Aufl.). Konstanz: UVK, S. 131-143.
  • Diaz-Bone, Rainer (2010). Kulturwelt, Diskurs und Lebensstil. Eine diskurstheoretische Erweiterung der Bourdieuschen Distinktionstheorie (2., erw.  Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Diaz-Bone, Rainer (2007). Die französische Epistemologie und ihre Revisionen. Zur Rekonstruktion des methodologischen Standortes der Foucaultschen Diskursanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8(2), Art. 24, http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/238/527.
  • Diaz-Bone, Rainer (2006). Zur Methodologisierung der Foucaultschen Diskursanalyse [48 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 7(1), Art. 6, http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/71/145.

Wie kann man beschreibende Beobachtung unterrichten? Eine Einführung in SELIN, einem Online-Lehrmittel für die Beobachtungswissenschaften

Wiebke Wiesigel und Ellen Hertz, Universität Neuenburg

In diesem Forschungsatelier stellen wir SELIN vor, ein pädagogisches Online-Tool, um den Studierenden die Grundlagen der beschreibenden Beobachtung vermitteln zu können. Für Studierende erweist es sich immer wieder als schwierig, soziale Interaktionen, die sie im öffentlichen Raum beobachten, zu beschreiben. Wie, und insbesondere was beobachtet man «im Feld», und wie beschreibt man das? Da wir als Lehrende bei den Beobachtungen unserer Studierenden jeweils nicht dabei waren, konnten wir sie nicht gezielt unterstützen und Verbesserungen vorschlagen. Zwar waren Beschreibungen anderer Ethnolog:innen hilfreich; aber auch diese gaben nur Einblicke in eine bestimmte Situation und wenige methodische Hinweise auf das Beobachtungsverfahren.

Aufgrund dieser Problemlage entwickelten wir am Institut für Ethnologie der Universität Neuenburg ein Online-Tool mit dem Namen SELIN (für «Système e-learning inductif»), um Studierenden die Kunst des Beobachtens beizubringen. Wir beschlossen, den Unterricht umzudrehen: Anstatt die Studierende «ins Feld» zu schicken, bringen wir «das Feld» in den Klassenraum. Wir stellen den Studierenden Videos zur Verfügung, die wir während unserer eigenen Feldforschung (zu Skaten und Bing-Spielen) aufgenommen haben. Wir entwickelten drei strukturierte Übungen, um den Aufmerksamkeitsfokus der Studierenden jeweils auf Raum/Ort und auf Kategorien von Menschen sowie von Objekten zu leiten. Die Studierenden werden aufgefordert, die drei Übungen zu einer ersten Synthese zusammenfügen und folgende Fragen zu beantworten: Welche Kategorien von Menschen und Objekten sind in welchen Räumen zu finden; wo liegen die Grenzen; welche Objekte oder Menschen können sich von einem Raum in einen anderen bewegen; welche Objekte sind mit welchen Kategorien von Menschen verbunden usw. Alle Studierenden arbeiten mit demselben empirischen Material und können auf die Videos zurückgreifen, um eine Beschreibung zu überprüfen und zu vervollständigen.

Die Einführung dieses innovativen Werkzeugs erwies sich als äusserst erfolgreich. Wir verwenden es seither in unserem ethnografischen Methodenkurs auf Bachelor-Niveau, um die Kunst der beschreibenden Beobachtung zu lehren.

In diesem Forschungsatelier werden wir Studierende und interessierte Kollegen:innen in die Funktionsweise des Online-Tools einführen. Teilnehmende werden die Möglichkeit haben, die ersten Übungen einer Lektion selbst zu testen, um die pädagogische Philosophie und das Unterrichtskonzept von SELIN zu verstehen und selbst anwenden zu können.

Eine vorbereitende Lektüre ist nicht notwendig. Bitte bringen Sie aber einen Laptop und Kopfhörer mit. Sie erhalten für das Atelier einen Online-Zugang zu SELIN. Das Forschungsatelier wird von Wiebke Wiesigel durchgeführt.

Kontakt: wiebke.wiesigel@unine.ch (E-Mail)

Datenanalyse mit Künstlicher Intelligenz: Sozialwissenschaftliches Prompt Engineering mit der Dokumentarischen Methode

Fabio Roman Lieder und Burkhard Schäffer, Universität der Bundeswehr München

Die Dokumentarische Methode (DM) steht in der Tradition der praxeologischen Wissenssoziologie (Bohnsack 2021). Sie bietet einen Rahmen zur empirischen Rekonstruktion sozialer Praktiken sowie deren zugrundeliegenden kollektiven Orientierungen. Das interpretative Vorgehen der DM zielt vorrangig darauf ab, implizite, routinemäßige Wissensbestände sowie daraus resultierende Handlungsorientierungen herauszuarbeiten. Die DM hat mit der Abfolge von formulierender, reflektierender und typenbildender Interpretation (Schäffer 2020) ein spezifisches methodisches Vorgehen entwickelt, das es erlaubt, Transkriptionen von Interviews, Gruppendiskussionen oder andere empirische Materialien intersubjektiv überprüfbar zu interpretieren sowie Typenhypothesen, Typiken und Typologien zu bilden.

Eine bislang wenig bearbeitete Dimension qualitativer Sozialforschung ist deren Abhängigkeit von der historischen Medienentwicklung (Schäffer 2022) wie bspw. der Einführung des Kassettenrecorders Ende der 70er Jahre, dem Aufkommen computergestützter Textverarbeitung oder der Verfügbarkeit spezieller Forschungssoftware. Seit der Einführung von ChatGPT im November 2022 werden auch in der qualitativen Sozialforschung zunehmend generative Sprachmodelle eingesetzt. Während inhaltsanalytische Verfahren überwiegend Zusammenfassungsfunktionen zum automatischen Codieren benutzen, haben wir untersucht, wie einzelne Schritte der DM mit künstlicher Intelligenz angereichert werden können. Hierfür haben wir mit der Webanwendung DokuMet AI (www.dokumet.de/dokumet-ai) einen öffentlich zugänglichen Prototyp für die formulierende und reflektierende Interpretation erstellt. Auf der Grundlage unserer Überlegungen zur Umsetzung sozialwissenschaftlichen Promptings werden die Teilnehmenden DokuMet AI im Rahmen ihrer eigenen Projekte anwenden.

Im Forschungsatelier geht es, neben einer kurzen Einführung in die grundlegenden Prinzipien der DM, primär um die Weitergabe unserer Erfahrungen mit generativen Sprachmodellen. Auf der Agenda stehen:

  • eine Einführung in sozialwissenschaftliches Prompting, d.h. Eingabeaufforderungen in natürlicher Sprache, um einem Sprachmodell das Interpretieren zu vermitteln;
  • der Aufbau von Prompt-Systemen, die komplexere Bearbeitungen ermöglichen; und
  • die grundlagentheoretisch-methodologische Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass mit diesen neuen Formen des Umgangs mit empirischen Materialien eine neue «epistemische Entität» aus forschender Person und Prompt-System entsteht, die unisono empirisches Material in einer verteilten Interpretation erschliesst (Schäffer & Lieder 2023).

Teilnehmende des Forschungsateliers haben die Möglichkeit, ihre eigenen Forschungsprojekte bzw. Forschungsideen zu reflektieren und in eine Prompt-Struktur zu überführen und auszutesten. Zudem haben sie die Möglichkeit, das sozialwissenschaftliche Prompting in einem interaktiven Probehandeln auf www.dokumet.de/dokumet-ai durchzuführen und im Workshop Erfahrungen in Bezug auf Umsetzung und Haltungen zum Einsatz generativer Sprachmodelle in der Forschung auszutauschen.

Eine Lektüre vorab ist nicht zwingend notwendig, bereichert aber den Austausch im Forschungsatelier sehr. Bitte bringen Sie ein internetfähiges Endgerät mit ausreichend großem Bildschirm in den Workshop mit. Das Forschungsatelier wird von Fabio Lieder durchgeführt.

Kontakt: fabio.lieder@unibw.de (E-Mail)

Literatur

Grundlegend:

  • Bohnsack, R. (2021). Rekonstruktive Sozialforschung. Barbara Budrich.

Weiterführend:

  • Schäffer, B. (2020). Typenbildende Interpretation. Ein Beitrag zur methodischen Systematisierung der Typenbildung der Dokumentarischen Methode. In J. Ecarius & B. Schäffer (Hrsg.) (2020), Typenbildung und Theoriegenerierung. Methoden und Methodologien qualitativer Bildungs- und Biographieforschung (S. 65-88). 2. überarb. u. erw. Auflage. Opladen: Verlag Barbara Budrich.
  • Schäffer, B. (2022). Das Medium ist die Methode: Zur Technikgeschichte qualitativer Methoden. In T. Fuchs, C. Demmer, R. Kreitz & C. Wiezorek (Hrsg.), Aufbrüche, Umbrüche, Abbrüche. Qualitative Bildungs- und Biographieforschung zwischen 1978 und 2018 (S. 145-165). Verlag Barbara Budrich.
  • Schäffer, B. & Lieder, F. R. (2023). Distributed interpretation – teaching reconstructive methods in the social sciences supported by artificial intelligence. Journal of Research on Technology in Education, 55(1), 111/124. https://doi.org/10.1080/15391523.2022.2148786.