07.09-08.09.2022, St. Gallen, Switzerland

9th Swiss Methods Festival

Das Seminar für Soziologie an der Universität St. Gallen organisiert mit dem Fachbereich Soziale Arbeit der Ost (Ostschweizer Fachhochschule) St.Gallen das 9. Schweizer Methoden­festival zu qualitativen Forschungs­methoden, in Zusammen­arbeit mit der Schwei­zerischen Gesellschaft für Soziologie und der Schweizerischen Ethnologischen Gesellschaft. Das Festival wird von der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Ost unterstützt. Das Festival findet am 7. und 8. September 2022 statt.

Zielsetzung und Angebot

Das 9. Schweizer Methodenfestival bietet die Gelegenheit, in konzentrierter Form durch verschiedene Veranstaltungsformen – Keynotes und Forschungsateliers – einen Überblick über den state of the art einer breiten Palette qualitativer Forschungsmethoden zu erhalten. Renommierte Expertinnen und Experten stellen sich zur Verfügung, im Rahmen von 15 Forschungsateliers auf konkrete Fragen der Teilnehmenden einzugehen und empirische Forschungs­projekte von einzelnen Teilnehmenden zu diskutieren. Die Veranstaltung trägt dazu bei, die qualitative Forschungsgemeinschaft zusammenzuführen.

Teilnehmende

Das Schweizer Methodenfestival richtet sich an sämtliche Studierende und Forschende der Sozial- und Geistes­wissenschaften, die sich für qualitative Methoden interessieren.

Programmkomitee

  • Florian Elliker und Thomas S. Eberle, Seminar für Soziologie, Universität St. Gallen
  • Peter Schallberger und Stefan Köngeter, OST – Ostschweizer Fachhochschule
  • Rainer Diaz-Bone, Schweizerische Gesellschaft für Soziologie
  • Ellen Hertz, Schweizerische Ethnologische Gesellschaft

Programm

Mittwoch, 7. September 2022

  • Registration und Kaffee (ab 8 Uhr)
  • Eröffnung (9:30 Uhr)
  • Keynote von Michaela Pfadenhauer: Die Relevanz des Lebenswelten-Konzepts für die interpretative Sozialforschung (Beginn: 9:45)

Parallele Forschungsateliers 11.00 Uhr bis 15.15 Uhr (Lunchpause ca. 12–13 Uhr)

  • Lebensweltanalytische Ethnographie: Michaela Pfadenhauer, Universität Wien, und Paul Eisewicht, Technische Universität Dortmund
  • Wissenssoziologische Diskursanalyse: Reiner Keller, Universität Augsburg
  • Problemzentriertes Interview: Herwig Reiter, Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden des Deutschen Jugendinstituts
  • Wissenssoziologische Bildhermeneutik: Jürgen Raab, Universität Koblenz-Landau und Sebastian Hoggenmüller, Universität Luzern
  • Empirische Phänomenologie: Patrik Aspers, Universität St.Gallen

Parallele Forschungsateliers 15.45 Uhr bis 19.00 Uhr

  • Grounded Theory-Methodologie: Günter Mey, Hochschule Magdeburg-Stendal und Institut für Qualitative Forschung, Internationale Akademie Berlin
  • Wissenssoziologische Diskursethnographie: Florian Elliker, Universität St.Gallen
  • Organisationsethnographie: Christoph Maeder, St.Gallen
  • Qualitative Datenanalyse mit AtlasTI: Susanne Friese, KwaRC
  • Objektive Hermeneutik: Stefan Köngeter und Peter Schallberger, OST Ostschweizer Fachhochschule

Donnerstag, 8. September 2022

  • Keynote von Hubert Knoblauch: Reflexive Methodologie und empirische Wissenschaftstheorie (Beginn: 9:45)

Parallele Forschungsateliers 11.00 bis 15.15 Uhr (Lunchpause ca. 12–13 Uhr)

  • Videographie und fokussierte Ethnographie: Hubert Knoblauch, TU Berlin und René Tuma, University of Amsterdam
  • Wissenssoziologische Sequenzanalyse: Jo Reichertz, Institute for Advanced Studies in the Humanities – University Alliance Ruhr – KWI Essen
  • Foucaultsche Diskursanalyse: Rainer Diaz-Bone, Universität Luzern
  • Teaching the basics of descriptive observation – presenting SELIN, an on-line teaching tool for the observational sciences: Ellen Hertz, University of Neuchâtel
  • Situationsanalyse: Ursula Offenberger, Universität Tübingen

Inhaltliches Konzept

Die einzelnen Forschungsateliers werden unten näher beschrieben. Einzelne Doktorierende und Postdocs haben im Rahmen parallel geführter Forschungsateliers die Gelegenheit, konkrete methodische Aspekte ihrer Forschungsprojekte zu präsentieren. Die Leiterinnen und Leiter der Forschungsateliers entscheiden selbst, welche Arbeiten vorgestellt werden.

Tagungsgebühr

Die Tagungsgebühr beträgt 100 Fr. für die ganze Tagung. Inbegriffen sind Kaffee, Mineralwasser und ein Apéro am Mittwochabend, an dem die Teilnehmenden mit den Expertinnen und Experten ungezwungen in Kontakt kommen können.

Bons für Mittagessen in der Mensa der Fachhochschule können bei der Anmeldung gekauft werden (15 Fr./Essen).

Die Gebühr für die Tagung ist im Voraus zu entrichten.

Anmeldung

Die Anmeldung für die Teilnahme mit oder ohne Präsentation des eigenen Forschungsprojekts geschieht per Online-Formular unter folgendem Link:

https://forms.gle/2L52wEwTzMYoC3tK7

Die Anmeldung ist ab dem 15. April 2022 um 12.00 Uhr möglich. Zu früh eintreffende Anmeldungen können nicht berücksichtigt werden. Die Plätze für die einzelnen Forschungsateliers sind begrenzt und werden auf einer First-come-first-serve-Basis vergeben. Anmeldeschluss ist der 18. Mai 2022. Sie erhalten nach dem 18. Mai innert weniger Tage Bescheid, in welchem Forschungsatelier Sie einen Platz erhalten haben. Es wird empfohlen, für jeden der drei Halbtage auch eine zweite und dritte Präferenz anzugeben für den Fall, dass das gewünschte Atelier schon ausgebucht ist. Für eine gültige Anmeldung muss die Zahlung der Teilnahmegebühr bis 12. Juni 2022 erfolgt sein. Die Kontoangaben für die Überweisung werden ihnen im Bestätigungs-E-Mail mitgeteilt. Teilnehmende, die in einem Atelier ein Projekt präsentieren möchten, nehmen nach erfolgreicher Anmeldung zum Festival direkt mit den Leiter*innen der Forschungsateliers Kontakt auf.

Die Teilnehmerzahl ist auf 170 begrenzt.

Inhalte der einzelnen Forschungsateliers

Lebensweltanalytische Ethnographie

Michaela Pfadenhauer, Universität Wien und Paul Eisewicht, TU Dortmund

Ethnographien versprechen nicht nur ein gewisses Abenteuer in der Erkundung fremder Welten (auch der eigenen Gesellschaft), sondern auch, dass man damit sozialen Phänomenen und Antworten auf eigene Forschungsfragen irgendwie ‘näher’ kommt als mit anderen methodischen Zugängen. Zugespitzt formuliert, radikalisiert die lebensweltanalytische Ethnographie den Anspruch darauf, die Binnenperspektive kleiner sozialer Lebenswelten zu rekonstruieren, indem sie die Teilnahme am sozialen Geschehen gegenüber der Beobachtung priorisiert. In der beobachtenden Teilnahme zeichnet sich diese Ausprägung der Ethnographie nicht nur gegenüber anderen Verfahren der so genannten qualitativen Sozialforschung, sondern auch gegenüber anderen ethnografischen Ansätzen aus. Es geht hier also nicht nur um das Dabeisein, um möglichst nahe am Geschehen zu sein und einen möglichst unverstellten, uneingeschränkten Blick auf die Praktiken der Feldakteure zu erhalten. Es geht vielmehr um ein Mittun und Selbermachen, das Erlebensdaten generiert, die einen zusätzlichen Beitrag zur Rekonstruktion der Perspektiven erlauben. Damit einher gehen aber auch Anforderungen an den Umgang mit den so gewonnenen Daten und die Verknüpfung verschiedener Datensorten in der Analyse, welche eine weitere Besonderheit des Ansatzes kennzeichnen. 

Diese von Anne Honer (1993) als «lebensweltlich» etikettierte Ausrichtung der Ethnographie steht im Zentrum dieses Forschungsateliers. Sie wird zunächst im Kanon der empirischen Sozialforschung und ethnographischer Ansätze verortet. Die für diese Form der Ethnografie wesentlichen Methoden der Datenerhebung und der Datenauswertung werden vorgestellt und diskutiert. Anhand von Beispielen aus eigenen empirischen Studien wird verdeutlicht, wie sich Beobachtung durch Teilnahme produktiv ergänzen lässt. Daran soll deutlich werden, wo die Stärken, aber auch die Grenzen dieses Ansatzes für welche Forschungsfragen liegen. Teilnehmenden soll dabei auch ermöglicht werden eigene und andere ethnographische Ansätze in Bezug setzen zu können, um deren Passung zur eigenen Forschung besser einschätzen zu können.

Kontakt: michaela.pfadenhauer@univie.ac.at (E-Mail) und paul.eisewicht@tu-dortmund.de (E-Mail)

Literatur zur Einstimmung

  • Hitzler, Ronald & Eisewicht, Paul (2016/2020). Lebensweltanalytische Ethnographie – im Anschluss an Anne Honer. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
  • Honer, Anne (2011). Kleine Leiblichkeiten. Wiesbaden: VS Verlag.
    Hitzler, Ronald (1999). Welten erkunden. Soziologie als (eine Art) Ethnologie der eigenen Gesellschaft. Soziale Welt 50(4): 473-482.
  • Pfadenhauer, Michaela (2005). Ethnography of Scenes. Forum Qualitative Sozialforschung 6(3): Art. 43.

Wissenssoziologische Diskursanalyse

Reiner Keller, Universität Augsburg

Die Wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) formuliert ein Forschungsprogramm zur Untersuchung gesellschaftlicher Wissensverhältnisse und Wissenspolitiken, das mittlerweile über die Soziologie hinaus in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zum Einsatz kommt. Ihre theoretischen und methodologischen Grundlegungen liegen in einer Verbindung von wissenssoziologisch-sozialkonstruktivistischen Annahmen und Traditionslinien des soziologischen interpretativen Paradigmas mit theoretisch-begrifflichen Vorschlägen aus Michel Foucaults Reflexionen des Diskursbegriffs. In methodischer Hinsicht greift sie auf Konzepte, Erhebungs- und Analyseverfahren der qualitativen Sozialforschung zurück. Ihr Analyseinteresse richtet sich auf die Untersuchung von Diskursen als einer gesellschaftlichen Wirklichkeitsebene, auf der Wissen hergestellt, reproduziert und verändert wird. Diskurse sind strukturierte Praktiken des Sprach- und Symbolgebrauchs, die spezifische Wissensordnungen konstituieren, mit denen wiederum gesellschaftliche Wirkungen bzw. Machteffekte verbunden sind.

Das Forschungsatelier stellt zunächst die Grundannahmen der WDA und die damit anvisierten Fragestellungen in allgemeineren Kontext von sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Diskurstheorie und Diskursanalyse vor. Im Zentrum steht dann die Erläuterung des methodisch-praktischen Vorgehens in konkreten empirischen Untersuchungen. Dies umfasst zum einen die Erschließung der Materialität von Diskursen (Akteure, Praktiken, Dispositive), zum anderen die Analyse der diskursiven Wissensformierungen und der daraus entfalteten Subjektivierungsangebote (Deutungsmuster, Klassifikationen, narrative Strukturen, Phänomenstruktur, Subjektmodelle u.a.). Im Forschungsatelier werden dazu Vorgehensweisen der Datenerhebung und der Datenauswertung diskutiert. Die WDA folgt dabei der Überlegung, dass es kein Standard- oder Rezeptmodell der Diskursforschung gibt, sondern dass jedes Projekt den angebotenen Rahmen für seine spezifischen Fragestellungen entsprechend gestalten muss. Gleichwohl mündet dies nicht in völlige Beliebigkeit, sondern bewegt sich in einem Gesamtrahmen, der Theorie, methodologische Reflexion und methodisches Vorgehen aufeinander bezieht.

Das vorwiegend auf Fragen der praktischen Umsetzung von Vorhaben der Diskursforschung (in unterschiedlichen disziplinären Kontexten) hin ausgelegte Forschungsatelier wendet sich zum einen an Interessierte, die ganz allgemein den Ansatz der WDA kennen lernen möchten. Zum zweiten besteht die Möglichkeit, konkrete, mehr oder weniger weit fortgeschrittene eigene Projekte zur Diskussion zu stellen, die bereits mit der WDA arbeiten bzw. dies gegebenenfalls vorhaben. In diesem Fall sollte eine entsprechende, etwa fünfseitige Skizze des Vorhabens sowie der damit verbundenen, beim St.Galler Treffen zu diskutierenden Fragen eingereicht werden. Gegebenenfalls können dabei nicht alle Vorschläge, sondern nur eine Auswahl berücksichtigt werden. Nach der definitiven Bestätigung der Teilnahme durch die Organisator*innen können Teilnehmende, die eigene Materialien in die Forschungswerkstatt einbringen möchten, diese direkt an Reiner Keller senden.

Kontakt: reiner.keller@phil.uni-augsburg.de (E-Mail)

Literatur

  • Keller, Reiner (2010). Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen (4. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Keller, Reiner (2011). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms (3. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Keller, Reiner/Hornidge, Anna/Schünemann, Wolf (Eds.) (2018): The Sociology of Knowledge Approach to Discourse. Investigating the Politics of Knowledge and Meaning-making. London: Routledge.

Problemzentriertes Interview

Herwig Reiter, DJI – Deutsches Jugendinstitut, Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden des Deutschen Jugendinstituts, München

Das problemzentrierte Interview (PZI) ist ein theoriegenerierendes, qualitatives Interviewverfahren zur Sammlung und diskursiv-dialogischen Rekonstruktion subjektiver Problemsichten. In Anlehnung an Alltagsgespräche betrachtet das PZI den Austausch von Wissen und die Ko-Konstruktion von Interpretationen in Interviews als eine gemeinsame Leistung der beteiligten Personen. Kommunikationsstrategien der allgemeinen und spezifischen Sondierung dienen der Stimulation von Narrationen, Beschreibungen und Argumentationen und bringen wissenschaftliches Vorwissen und praktisches Alltagswissen in einen reflexiven Austausch. Dadurch werden offene und theoretisch sensibilisierende Aspekte des Forschungshandelns kombiniert. Das PZI ergänzt die allen qualitativen Interviewverfahren gemeinsame Praxis des aktiven Zuhörens programmatisch um den Prozess des aktiven Verstehens – d.h. die Interviewsituation wird auch dazu genutzt, erste Interpretationen direkt im laufenden Gespräch und gemeinsam mit den interviewten Personen zu klären.

Der erste Teil des Forschungsateliers diskutiert ausgewählte programmatische, methodologische, methodische und praktische Besonderheiten des PZI. Im zweiten Teil wird es die Möglichkeit geben, interviewbezogene Aspekte eigener Forschungsarbeiten im Hinblick auf den Ansatz zu diskutieren.

Kontakt: reiter@dji.de (E-Mail)

Literatur

  • Reiter, Herwig (2019) The problem-centred approach for researching biographical uncertainty and risk. In: Olofsson, Anna/Zinn, Jens O. (eds.) Researching risk and uncertainty. Methodologies, methods and research strategies. Cham: Palgrave Macmillan. 153-180.
  • Reiter, Herwig/Witzel, Andreas (2019) Problem-centred interview. In: Atkinson, Paul/Delamont, Sara/Cernat, Alexandru/Sakshaug, Joseph W./Williams, Richard A. (eds.) SAGE Research Methods Foundations. https://methods.sagepub.com/foundations/problem-centred-interview
  • Witzel, Andreas (1982) Verfahren der qualitativen Sozialforschung. Überblick und Alternativen. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
  • Witzel, Andreas & Reiter, Herwig (2012) The problem-centred interview. Principles and practice. London: Sage. https://uk.sagepub.com/en-gb/eur/the-problem-centred-interview/book234106#preview

Wissenssoziologische Bildhermeneutik

Jürgen Raab, Universität Koblenz-Landau und Sebastian Hoggenmüller, Universität Luzern

Unter dem Eindruck der zunehmenden Medialisierung sich modernisierender Gesellschaften ist in den Sozialwissenschaften die Aufmerksamkeit für die Kulturbedeutung von visuellen Ausdrucks- und Darstellungsformen auf breiter Front neu entfacht. Der sogenannte «Visual Turn» führte nicht nur zum Wiedererwachen und zur Neuanregung der Visuellen Soziologie. Vielmehr scheint sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften zusehends die Einsicht durchzusetzen, dass Bilder mit ihrer spezifischen kommunikativen Qualität entscheidend beitragen zur technisch-medialen Herstellung und Tradierung, Stabilisierung und Veränderung nicht allein von persönlichen und kollektiven Identitäten, sondern von gesellschaftlichem Wissen und von sozialer Wirklichkeit insgesamt.

Das Forschungsatelier widmet sich den Herausforderungen, Problemen und Potenzialen der methodisch kontrollierten sozialwissenschaftlichen Analyse von unbewegten Bildern in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen (Fotografie, Collage, Zeichnung, Gemälde, Comic u.a.m.). Ausgehend von den methodologischen und methodischen Ansätzen der wissenssoziologischen Bildhermeneutik verfolgt das Forschungsatelier das Ziel, interpretative Zugänge zu den symbolischen Ordnungen von Einzelbilddarstellungen ebenso vorzustellen, zu diskutieren und an konkreten Materialien zu erproben, wie zu deren vielfältig möglichen kontextuellen Arrangements in dramaturgischen, seriellen, scheinbar zufälligen oder systematisch vergleichenden Bildanordnungen.

Nach der Bestätigung der Teilnahme durch die Organisator*innen werden Teilnehmende, die eigene Materialien in das Forschungsatelier einbringen möchten und sich als aktiv angemeldet haben, aufgefordert, diese an Jürgen Raab und Sebastian Hoggenmüller zu senden.

Kontakt: raab@uni-landau.de (E-Mail) und sebastian.hoggenmueller@unilu.ch (E-Mail)

Literatur

  • Roswitha Breckner (2018). Denkräume im Bildhandeln auf Facebook. Ein Fallbeispiel in biografieanalytischer Perspektive, in: Michael R. Müller & Hans-Georg Soeffner (Hg.). Das Bild als soziologisches Problem. Herausforderungen einer Theorie visueller Sozialkommunikation, Weinheim & Basel: Beltz Juventa 2018, 70-94
  • Hoggenmüller, Sebastian W. (2016). Die Welt im (Außen-)Blick. Überlegungen zu einer ästhetischen Re|Konstruktionsanalyse am Beispiel der Weltraumfotografie ‘Blue Marble’, in: Zeitschrift für Qualitative Forschung, 17/1+2, 11-40.
  • Michael R. Müller (2012). Figurative Hermeneutik. Zur methodologischen Konzeption einer Wissenssoziologie des Bildes, in: Sozialer Sinn. Zeitschrift für hermeneutische Sozialforschung 1, 129–161.
  • Raab, Jürgen (2017). Fotografie und Phänomenologie. Zur Methodologie einer wissenssoziologischen Konstellationsanalyse, in: Thomas Eberle (Hg.), Fotografie und Gesellschaft. Phänomenologische und wissenssoziologische Perspektiven, Bielefeld: transcript, 381-393.
  • Raab, Jürgen (2019). “Wer mehr sieht, hat mehr recht.” Zur Kritik der wissenssoziologischen Bildhermeneutik, in: Ronald Hitzler, Jo Reicherts & Norbert Schröer (Hg.): Kritik der Hermeneutischen Wissenssoziologie, Weinheim & Basel: Beltz Juventa, 367-379.
  • Raab, Jürgen (2021). Zeigen oder verbergen? Die Macht moralischer Bildkommunikation, in: Norbert Schröer, Oliver Bidlo, Verena Keysers & Michael Roslon (Hg.): Facetten der Kommunikationsmacht. Weinheim & Basel: Beltz Juventa, 249-269.

Empirische Phänomenologie

Patrik Aspers, Universität St.Gallen

Ziel dieses Forschungsateliers ist eine praktisch orientierte Einführung in die empirische Phänomenologie. Die Phänomenologie gilt seit Anfang der 1970er-Jahre als einer der wichtigsten qualitativen Ansätze, der auch eine Hauptrolle im Entwicklungsprozess der qualitativen Forschung gespielt hat. Die Phänomenologie orientiert sich an dem, «was erscheint». Für empirisch orientierte qualitativ Forschende heisst «Erscheinung»: Was erscheint für wen, wann und wie?

Was bedeutet das für qualitativ Forschende? Mit den Texten von Edmund Husserl, Martin Heidegger und vor allem Alfred Schütz als Hintergrund werden wir mit konkreten Methoden die subjektive Perspektive als Ausgangspunkt benutzen und analysieren. Dabei geht es nicht um die erwähnten Philosophen und deren Texte, sondern um die praktische Applikation dieses Ansatzes. Wir werden erörtern, wie wir mit klassischen qualitativen Methoden wie Interview und teilnehmender Beobachtung sinnvoll umgehen können. Das Forschungsatelier wird sich vorrangig mit den praktischen und empirischen Fragen beschäftigen, die von den Teilnehmenden eingebracht werden.

Folgende Fragen sollen beispielsweise beantwortet werden:

  • Unter welchen Bedingungen, empirischen wie theoretischen, können die phänomenologischen Grundannahmen berücksichtig werden, und wie kann die Phänomenologie in praktische Feldforschung umgesetzt werden?
  • Lässt sich Materialität mit phänomenologischen Methoden analysieren?
  • Gibt es empirische Methoden, die besser oder wenig gut für diesen Forschungsansatz geeignet sind?

Die Hauptfrage der Sitzung lautet: Welche Rolle spielt die Theorie in Forschungsprozessen? Wie kann man überhaupt phänomenologische Evidenz unter theoretische Begriffe einordnen? Um diese und andere Fragen beantworten zu können, werden wir das Verhältnis zwischen deduktiver und induktiver Begriffsbildung und die Rolle der Theorie als zentrales Studienobjekt beleuchten. Diese Fragen können wir theoretisch analysieren, aber noch besser mit den konkreten Fällen und Beispielen von den Teilnehmenden.

Kontakt: patrik.aspers@unisg.ch (E-Mail)

Literatur zur Einführung

Grounded Theory-Methodologie

Günter Mey, Hochschule Magdeburg-Stendal und Institut für Qualitative Forschung, Internationale Akademie Berlin

Die Grounded-Theory-Methodologie (GTM) – in der Soziologie von Glaser und Strauss vor über 50 Jahren begründet – ist eine der am weitest verbreiteten qualitativen Forschungsmethodologien, zu der mittlerweile unterschiedliche Positionen vorliegen. Mittlerweile wird von einer «Second Generation» – insbesondere geprägt durch Charmaz und Clarke – gesprochen. Die GTM wird nicht nur mit anderen Ansätzen wie Narrationsanalyse oder Diskursforschung in Verbindung gebracht und zudem «reflexiv» verstanden, auch weitet sich in jüngster Zeit der Datenbezug über Texte aus und es werden Bilder/Fotos und Filme/Videos einbezogen.

Im Forschungsatelier geht es vor allem darum, orientiert an den Fragen und dem Bedarf der Teilnehmenden und an konkretem Material die wesentlichen Konzepte (u.a. Theoretische Sensibilität) und Auswertungsschritte (v.a. offenes, axiales und selektives Kodieren, wie es in der GTM-Variante nach Strauss/Corbin vorgeschlagen wird, bzw. initiale und fokussierte Kodierung sensu Charmaz) sowie Planungsfragen (u.a. Theoretisches Sampling) gemeinsam zu besprechen.

Vor dem Hintergrund dieser Schwerpunktsetzung können als Materialien zur Besprechung eingereicht werden:

  • Forschungsskizzen zur Diskussion von Projektplanungen/Forschungsdesigns
  • Trankskripte zum Kodieren
  • Netzwerkkarten/Visualisierungen

Die endgültige Planung orientiert sich an den eingereichten Materialien. Die Auswahl wird von dem Interesse geleitet sein, möglichst verschiedene Stationen im Prozess einer GTM-Studie ansprechen zu können. Damit der Werkstattcharakter eingelöst werden kann, können maximal zwei Projekte (Exposé/Daten) diskutiert werden. Nach der definitiven Bestätigung der Teilnahme durch die Organisator*innen können Teilnehmende, die eigene Materialien in die Forschungswerkstatt einbringen möchten, diese direkt an Günter Mey senden.

Kontakt: mey@qualitative-forschung.de (E-Mail)

Literatur

  • Bryant, Anthony & Charmaz, Kathy (Hrsg.) (2019). The Sage Handbook of Current Developments in Grounded Theory. London: Sage.
  • Glaser, Barney & Strauss, Anselm (1967). The Dicovery of Grounded Theory. New York: Aldine.
  • Mey, Günter & Mruck, Katja (2011). Grounded Theory Reader (2. erw. u. überarb. Aufl.). Wiesbaden: VS.
  • Morse, Janice M.; Stern, Phyllis Noerager; Corbin, Juliet; Bowers, Barbara; Charmaz, Kathy & Clarke, Adele E. (Hrsg.) (2009). Developing grounded theory. The second generation. Walnut Creek, CA: Left Coast Press.
  • Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

Wissenssoziologische Diskursethnographie

Florian Elliker, Universität St.Gallen

Unter Diskursforschung versteht man üblicherweise Ansätze, welche Diskurse auf der Basis sog. «natürlicher Daten» rekonstruieren. Vieler dieser Ansätze stützen sich dabei auf Texte, die in zentraler Weise in die Praxis gesellschaftlicher Institutionen wie den Massenmedien oder dem Rechtssystem eingebettet sind. Die Diskursethnographie unterscheidet sich von diesen Ansätzen dadurch, dass sie Diskurse nicht nur auf der Makro-Ebene analysiert, sondern in ihrer spezifischen Ausprägung in konkreten Situation untersucht.

Grundlage der wissenssoziologischen Diskursethnographie ist die Annahme, dass soziale Situationen nicht nur durch Diskurse, sondern durch verschiedene andere Strukturen und Kontexte geprägt sind. Ziel und Herausforderung eines diskursethnographischen Projekts ist es daher zu zeigen, wie Diskurse im Zusammenspiel dieser Elemente lokal spezifische Effekte zeitigen. Im Fokus stehen dabei die Effekte und Verwendung von Diskursen in alltäglichen sozialen Situationen.

Ein diskursethnographisches Vorgehen beruht vor allem (aber nicht nur) auf der Erhebung von Daten durch teilnehmende Beobachtung und Interviews. Dieses Vorgehen erlaubt es, all jene diskursiven und nichtdiskursiven Praktiken der Diskurs(re)produktion zu erfassen, die sich nicht in «natürlichen Daten» manifestieren. Die methodologische Herausforderung besteht darin, durch entsprechende Samplingstrategien und der Auswahl der geeigneten Datentypen die lokal sich manifestierenden Diskurse als translokale Phänomene rekonstruieren zu können.

Der Schwerpunkt des Forschungsateliers besteht in der Darstellung des theoretischen Rahmens der wissenssoziologischen Diskursethnographie, der unterschiedlichen, analytischen Schwerpunkte sowie der entsprechenden Samplingstrategien. Es werden zudem kurz die unterschiedlichen Richtungen im sich neu entwickelnden Feld diskursethnographischer Forschung vorgestellt.

Im Zentrum stehen die Fragen der Teilnehmenden – sie werden bereits im Vorfeld per Email eingesammelt. Einzelne Teilnehmende haben zudem die Möglichkeit, ein eigenes empirisches Projekt vorzustellen und es mit allen Anwesenden zu diskutieren. Da es sich um einen neueren Forschungsansatz handelt, sind auch solche diskursethnographischen Projekte willkommen, die nicht explizit in der wissenssoziologischen Tradition zu verorten sind.

Kontakt: florian.elliker@unisg.ch (E-Mail)

Literatur

  • Elliker, Florian, Rixta Wundrak & Christoph Maeder (Hrsg.) (2017) The sociology of knowledge approach to discourse ethnography. Thematic Issue of the Journal for Discourse Studies/Zeitschrift für Diskursforschung, 5(3), 232–326. (Link)
  • Elliker, Florian (2018). Studying discourses ethnographically. A sociology of knowledge approach to analysing macro-level forces in micro-settings. In: Reiner Keller, Anna-Katharina Hornidge & Wolf Schünemann (Hrsg.). The Sociology of Knowledge Approach to Discourse. Investigating the Politics of Knowledge and Meaning-Making. London: Routledge, S. 254–273. (Link)
  • Elliker, Florian (im Erscheinen). Diskursethnographie. In: Angelika Poferl und Norbert Schröer (Hrsg.), Handbuch Soziologische Ethnographie. Wiesbaden: Springer VS.
  • Keller, Reiner (2011). Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Wiesbaden: Springer VS.
  • Spradley, James P. (1980) Participant Observation. New York: Holt, Rinehart & Winston.

Organisationsethnographie

Christoph Maeder, St.Gallen

Die Ethnographie von Organisationen zeichnet sich im Hinblick auf Theorieansatz, Feldarbeit, Datentypen und -analysen durch einige Besonderheiten gegenüber anderen Arten von Forschung mittels teilnehmender Beobachtung aus. So muss sinnvollerweise bereits vor der Feldphase geklärt werden, welche Ansätze aus dem Register der interpretativen Theorien zur Organisation benützt werden (Eberle 2019). Dies bestimmt dann die möglichen Untersuchungsgegenstände und hat einen Einfluss darauf, welche Daten neben den klassischen Feldprotokollen noch eine Rolle spielen werden (Eberle und Maeder 2021).

Dabei spannt sich ein weiter soziologischer Bogen der Möglichkeiten von ethnomethodologisch ausgerichteten Zugriffen auf Praktiken (Hirschauer 2017) und Sprechen (Keppler 1994; Silverman 1998), hin zu Goffman’sche Rahmenanalysen (Goffman 1980) über die Sozialen Welten (Clarke 1991; Maeder & Knoll 2020) und die spezielle Ethnographie der Formulare (Smith 2006) hin zu den klassischen Formaten des symbolischen Interaktionismus in Feldern von Berufen und Professionen (Fine 2007). Ethnographische Forschung zu Organisationen gibt es auch in der Ethnologie (z.B. Wright & Shore 2015) und den Cultural Studies (z.B. Showalter 1997). Eine Spezialität in diesem Kontext, die in diesem Forschungsatelier vorgestellt wird, stellt dabei die aus der kognitiven Anthropologie stammende Ethnosemantik dar (Maeder & Brosziewski 2019).

Im Forschungsatelier wird auf die wichtigsten theoretischen Aspekte dieser Forschung über Organisationen und auf die Besonderheiten der Feldarbeit in organisationalen Kontexten eingegangen. Die Fragen der Teilnehmenden werden im Vorfeld der Veranstaltung per Email eingesammelt und besprochen. Auch besteht für einzelne Interessierte die Möglichkeit, im Forschungsatelier ein eigenes Projekt kurz vorzustellen und methodische Fragen zur Diskussion zu stellen.

Kontakt: christoph.maeder@em.phzh.ch (E-Mail)

Literatur zur Einstimmung

  • Eberle, Thomas und Christoph Maeder. 2021. “Organizational Ethnography.” Pp. 129-145 in Qualitative Research. Fifth Edition, Hg. David Silverman. London: SAGE Publications Ltd.
  • Eberle, Thomas. 2019. “Interpretative Organisationsanalyse.” S. 212-229 in Interpretative Sozialforschung: Die Entwicklung in Wien, Hg. Michaela Pfadenhauer und Elisabeth Scheibelhofer. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
  • Maeder, Christoph. 2020. “Auf die Worte kommt es an: Die soziale Situtation in der ethnosemantischen Annäherung an das Feld.” S. 102-114 in 7. Fuldaer Feldarbeitstage. Ethnographie der Situation. Erkundungen sinnhaft eingrenzbarer Feldgegebenheiten, Hg. Norbert Schröer, Angelika Poferl und Michaela Pfadenhauer. Essen: Oldib.

Qualitative Datenanalyse mit AtlasTi

Susanne Friese, KwaRC

Das Forschungsatelier bietet einen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten, die ATLAS.ti für die Analyse von qualitativen Daten bietet. Anhand von Beispielprojekten wird vorgestellt, wie du ATLAS.ti für verschiedene Zwecke und methodische Ansätze verwenden kannst (z.B. Inhaltsanalyse, Diskursanalyse, Grounded Theory, Literaturrecherche). Du lernst, wie du ein für die computergestützte Datenanalyse sinnvolles Kodierungssystem erstellen kannst, wie du Daten kodieren, visualisieren, analysieren und interpretieren kannst.

Das Atelier ist für Anfänger geeignet, so wie für Personen, die bereits mit ATLAS.ti arbeiten. Wenn du schon an einem Projekt arbeitest, bist du eingeladen, es vorab einzureichen. Zwei Projekte werden ausgewählt um diese im Rahmen des Ateliers zu besprechen. Alle, die ein Projekt einreichen, erhalten per E-;ail Feedback zu Ihrem Projekt, auch wenn es nicht im Atelier besprochen wird. Weitere Informationen erhaltet Ihr nach der Anmeldung.

Arbeitsmaterialien werden elektronisch vorab zur Verfügung gestellt. Das Forschungsatelier findet in einem Seminarraum statt. Bringt bitte einen Laptop mit (Mac oder Windows), auf dem die aktuelle Version ATLAS.ti 22 installiert ist. Die Testversion ist für das Forschungsatelier ausreichend, Download unter: https://atlasti.com/de/kostenlose-testversion.

Kontakt: info@kwarc.nl (E-Mail)

Literatur

  • Bazeley, Pat (2013). Qualitative Data Analysis: Practical Strategies. London: Sage.
  • Friese, Susanne (2022, forthcoming). Role and Impact of CAQDAS Software for Designs in Qualitative Research (S. 307-326). In: Uwe Flick (Hrsg.). The SAGE Handbook of Qualitative Research Design. London: SAGE.
  • Friese, Susanne (2019). Qualitative Data Analysis with ATLAS.ti (3. Ausgabe). London: SAGE.
  • Friese, Susanne (2018). Computergestütztes Kodieren am Beispiel narrativer Interviews. In: Pentzold, Christian; Bischof, Andreas & Heise, Nele (Hrsg.) Praxis Grounded Theory. Theoriegenerierendes empirisches Forschen in medienbezogenen Lebenswelten. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, S. 277-309. Wiesbaden: Springer VS.
  • Friese, Susanne, Jacks Soratto & Denis Pires (2018). Carrying out a computer-aided thematic content analysis with ATLAS.ti. MMG Working Paper.

Objektive Hermeneutik

Stefan Köngeter und Peter Schallberger, OST Ostschweizer Fachhochschule

Die Objektive Hermeneutik ist eine Methodologie im Rahmen der qualitativen Sozialforschung. Sie unterscheidet sich von anderen rekonstruktiven Methodologien in ihrer Annahme, dass der subjektiv gemeinte Sinn nur erschlossen werden kann, wenn wir in der Lage sind, die objektiven Bedeutungen eines Ausdrucks oder Ausdrucksgestalt freizulegen. Forschungspraktisch bedeutet dies, dass im Rahmen der objektiven Hermeneutik die erfahrbaren und protokollierten Ausdrucksgestalten in Form eines Protokolls extensiv auf ihre möglichen Lesarten hin interpretiert werden.

In diesem Forschungsatelier werden am Anfang die wichtigsten Prinzipien des methodischen Vorgehens kurz erläutert und im Anschluss daran Protokolle aus Forschungsprojekten, die ein bis zwei Teilnehmende mitbringen, gemeinsam interpretiert. Da die objektive Hermeneutik als Kunstlehre vor allem in ihrer praktischen Anwendung erfahrbar und damit erlernbar wird, wird ein Schwerpunkt auf die gemeinsame Herausarbeitung einer intersubjektiv nachvollziehbaren Fallstrukturhypothese gelegt. Im Laufe der Interpretation wird ggf. auf weitere Prinzipien näher eingegangen (etwa die Prinzipien der Wörtlichkeit, Sequenzialität, Extensivität, Sparsamkeit etc.).

Die Objektive Hermeneutik arbeitet anhand von kurzen Protokollausschnitten eine weitreichende Fallstrukturhypothese heraus, die dann im weiteren Interpretationsprozess falsifikatorisch geprüft wird. Daher bedarf es in der Regel nur wenig Material, das aber sorgsam ausgewählt werden sollte. Im Vorfeld werden die aktiv Material einbringenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten, mit den Leitenden des Forschungsateliers über die Auswahl eines geeigneten Protokollausschnittes in Kontakt zu treten.

Kontakt: stefan.koengeter@ost.ch (E-Mail) und peter.schallberger@ost.ch (E-Mail)

Literatur zur Vorbereitung

  • Oevermann, Ulrich (2013): Objektive Hermeneutik als Methodologie der Erfahrungswissenschaften von der sinnstrukturierten Welt, in: Langer, Phil C. et al. (Hg.): Reflexive Wissensproduktion. Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialpsychologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 69–98.
  • Wernet, Andreas (2009): Einführung in die Interpretationstechnik der Objektiven Hermeneutik. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Wernet, Andreas (2021): Einladung zur Objektiven Hermeneutik. Ein Studienbuch für den Einstieg. Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Videographie und fokussierte Ethnographie

Hubert Knoblauch, TU Berlin und René Tuma, University of Amsterdam

Das Forschungsatelier richtet sich an Forschende, die selbst mit videografischen Daten arbeiten oder zu arbeiten planen, also audiovisuelle Daten, die von den Forschenden selbst im Feld erhoben wurden. Im Forschungsatelier wird an sehr kurzen Ausschnitten eine exemplarische Datenanalysesitzung durchgeführt werden. Das Atelier richtet sich an diejenigen, die sich in der Phase der Erhebung und der Auswertung von Videoaufzeichnungen befinden oder die einer solchen Sitzung beiwohnen möchten, weil sie eine solche Erhebung planen.

Das Atelier bietet zunächst einen Überblick über die Videoanalyse sozialer Situationen. Sie umfasst Videoaufzeichnungen in «natürlichen» Situationen und die Analyse der darin stattfindende Interaktion und Kommunikation mit Hilfe von Videodaten. Wir werden die methodischen Forschungsschritte wie Datenerhebung, Selektion- und Aufarbeitung des Datenkorpus sowie die Feinanalyse exemplarisch skizzieren. Das Forschungsatelier soll vor allem Gelegenheit geben, Daten der Beteiligten zu behandeln. Für die Datenanalysesitzung werden dazu kurze Sequenzen von «natürlichen» Interaktionen ausgewählt, anhand der wir die Analyse von Videodaten miteinander einüben. Bei diesen Übungen kann nur das Material von zwei bis drei Teilnehmenden feinanalytisch untersucht werden. Nach Bestätigung der Anmeldung durch die Organisator*innen werden Teilnehmende, die eigene Materialien in das Forschungsatelier einbringen möchten und sich als aktiv angemeldet haben, aufgefordert, kurze Sequenzauszüge ihrer Videodaten und Transkripte im Vorfeld mit uns abzustimmen.

Kontakt: hubert.knoblauch@tu-berlin.de (E-Mail) und rene.tuma@tu-berlin.de (E-Mail)

Literatur zur Vorbereitung

  • Tuma, René; Schnettler, Bernt & Knoblauch, Hubert (2013). Videographie. Einführung in die Video-Analyse sozialer Situationen. Wiesbaden: Springer VS. [→Link zum Buch]

Wissenssoziologische Sequenzanalyse

Jo Reichertz, Institute for Advanced Studies in the Humanities – University Alliance Ruhr – KWI Essen

Dieses Forschungsatelier bietet die Möglichkeit, forschungspraktisch mit der hermeneutischen Wissenssoziologie und hier insbesondere mit der Sequenzanalyse zu arbeiten. Dieses theoretische, methodologische und methodische Konzept hat zum Ziel, die gesellschaftliche Bedeutung jeder Form von Interaktion (sprachlicher wie nichtsprachlicher; face-to-face wie institutionell geformter) und aller Arten von Interaktionsprodukten (Kunst, Religion, Unterhaltung, Geschäftsordnungen etc.) zu (re-) konstruieren.

Untersucht wird, wie Handlungssubjekte – hineingestellt und sozialisiert in historisch und sozial entwickelte und abgesicherte Routinen und Deutungen des jeweiligen Handlungsfeldes – diese einerseits vorfinden und sich aneignen (müssen), andererseits diese immer wieder neu ausdeuten und damit auch «eigen-willig» erfinden (müssen). Diese selbständigen Neuauslegungen des vorgefundenen Wissens werden (ebenfalls als Wissen) ihrerseits wieder in das gesellschaftliche Handlungsfeld eingespeist und verändern es.

Das Handeln der Akteure gilt in dieser Perspektive erst dann als verstanden, wenn der Interpret/die Interpretin in der Lage ist, es aufgrund der erhobenen Daten (Interviews, Beobachtungen, Dokumente etc.) in Bezug zu dem vorgegebenen und für die jeweilige Handlungspraxis relevanten Bezugsrahmen zu setzen und es in dieser Weise für diese Situation als eine (für die Akteure) sinn-machende (wenn auch nicht immer zweck-rationale) «Lösung» nachzuzeichnen. Dies gelingt in der Regel nur mit Sequenzanalysen.

Schwerpunkt des Forschungsateliers soll die praktische Erprobung der Sequenzanalyse sein – und zwar am besten an Material, das von Teilnehmenden aus ihren Forschungsarbeiten in das Forschungsatelier eingebracht werden.

Teilnehmende, die eigene Materialien in das Forschungsatelier einbringen möchten und sich als aktiv angemeldet haben, werden – nach der Bestätigung der Teilnahme durch die Organisator_innen – gebeten, diese zeitnah an Jo.Reichertz.@KWI-NRW.de zu senden.

Kontakt: jo.reichertz.@kwi-nrw.de (E-Mail)

Literatur

  • Hitzler, Ronald, Jo Reichertz & Norbert Schröer (Hrsg.) (1999). Hermeneutische Wissenssoziologie. Standpunkte zur Theorie der Interpretation. Konstanz: U
  • Reichertz, Jo (2009). Kommunikationsmacht. Was ist Kommunikation und was vermag sie. Und weshalb vermag sie das? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Keller, Reiner & Hubert Knoblauch & Jo Reichertz (Hrsg.) (2013): Kommunikativer Konstruktivismus. Wiesbaden: Springer.
  • Reichertz, Jo (2016): Qualitative und interpretative Sozialforschung. Eine Einladung. Wiesbaden: Springer.
  • Hitzler, Ronald & Jo Reichertz & Norbert Schröer (Hrsg.) (2019): Kritik der Hermeneutischen Wissenssoziologie. Wiesbaden: Juventa.

Foucaultsche Diskursanalyse

Rainer Diaz-Bone, Universität Luzern

Die Foucaultsche Diskursanalyse ist eine nicht subjektzentrierte Form der qualitativen Sozialforschung. Die interpretative Analytik ist die methodologische Position der Foucaultschen Diskursanalyse. Es handelt sich dabei um eine Form der strukturalistischen/poststrukturalistischen «Hermeneutik» der Praxis kollektiver Wissensproduktion und kollektiver Wissensordnungen. Die interpretative Analytik setzt die Diskurstheorie Foucaults in die empirische Analyse diskursiver Praxis von Diskursen und Interdiskurs(effekt)en als sozialwissenschaftliche Methodologie um. Sie ist keine standardisierte Schrittfolge für Diskursanalysen, sondern als Methodo-Logie eine Instanz, die praktisch (a) die Organisation des diskursanalytischen Forschungsprozess reflektiert und reglementiert (von der Entwicklung der Fragestellung bis zur diskursanalytischen Erklärung sozialer Wirklichkeit), die (b) die Passung konkreter Praktiken/Instrumente/Techniken für den Forschungsprozess evaluiert und anleitet und die sich (c) in der konkreten diskursanalytischen Interpretation als Kompetenz entfaltet, wenn es in der Analyse von Materialien (Texten) darum geht, hieran die diskursive Praxis und die «Ordnung der Diskurse» zu rekonstruieren.

Das Forschungsatelier dient zunächst der kurzen Einführung in die interpretative Analytik und dann auch der Besprechung von laufenden Forschungsprojekten (wie Dissertationsprojekten), die eine Diskursanalyse unter Verwendung Foucaultscher Konzepte unternehmen. Das Forschungsatelier wendet sich an Forscherinnen und Forscher, die empirisch-systematische Diskursanalysen beginnen wollen oder damit begonnen haben und die diese Reflexionen auf die Entwicklung des Forschungsprozesses, auf strategische Entscheidungen (wie weiter?, wie vergleichen?, was sind diskursanalytische Erklärungen und Resultate?) sowie auf die Qualität von Diskursanalysen bewerkstelligen müssen.

Kontakt: rainer.diazbone@unilu.ch (E-Mail)

Literatur

  • Diaz-Bone, Rainer (2017). Diskursanalyse. In: Mikos, Lothar/Wegener, Claudia (Hrsg.)(2017): Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch (2. Aufl.). Konstanz: UVK, S. 131-143.
  • Diaz-Bone, Rainer (2010). Kulturwelt, Diskurs und Lebensstil. Eine diskurstheoretische Erweiterung der Bourdieuschen Distinktionstheorie (2., erw.  Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Diaz-Bone, Rainer (2007). Die französische Epistemologie und ihre Revisionen. Zur Rekonstruktion des methodologischen Standortes der Foucaultschen Diskursanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8(2), Art. 24, http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/238/527.
  • Diaz-Bone, Rainer (2006). Zur Methodologisierung der Foucaultschen Diskursanalyse [48 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 7(1), Art. 6, http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/71/145.

Teaching the basics of descriptive observation – presenting SELIN, an on-line teaching tool for the observational sciences

Ellen Hertz, Anthropology Institute, University of Neuchâtel

This workshop presents an on-line pedagogical tool that aims at teaching the basics of descriptive observation of “everyday” practices in popular settings in Switzerland. Developed by Alice Sala, Thierry Wendling and myself at the Anthropology Institute of the University of Neuchâtel, it was inspired by difficulties we encountered when we attempted to lead students to “really observe” their field settings. Sending them out to observe social interactions in public markets, or individuals crossing streets in a crowd, or couples ordering food in a restaurant produced descriptions that were, to borrow Hobbes’ well-known expression, “nasty, brutish and [especially] short”, or in other words, dull. We knew there had to be more than that to see, but since we were not there, we could not point out to them what they were missing. Assigning them descriptions of similar scenes to read by other authors didn’t help either, for they remained convinced that what others had observed was simply “more interesting” than the scenes they had witnessed.

Our solution to this problem was to do our own fieldwork, film the scenes we wanted them to observe and then edit structured videos for them to watch. We devised three structured exercises, focused respectively on space/place, categories of people and objects. In this way, we could create (semi-)exhaustive lists of precisely those elements they had to have observed, and send them back to watch the videos when they missed them. As a last step, students were required to put the three exercises together into an initial synthesis to answer the questions: what categories of people and objects could be found in which spaces; where were the thresholds; which objects or people could move from one space to another; which objects were associated with which categories of people, etc. The result of this innovation, called SELIN (for “Système e-learning inductif”, Link), proved highly successful, and we have used it since in our 2nd year Bachelor-level ethnographic methods course to teach descriptive observation (and analysis, but that is for another workshop!).

In this workshop, I will introduce students and particularly interested colleagues (assistants and teachers assigned to teach introductory methods classes) to the workings of this on-line tool, to the pedagogical procedures that must be followed up-stream in order to create one’s own “lesson” and to the different interfaces (student – corrector – designer) that it proposes. Participants will have the choice to follow the initial steps of one of two “lessons”, one on skateboarding and one on Bingo games, both created in French-speaking Switzerland, to observe the basics of SELIN’s pedagogical philosophy and teaching protocol. If time allows, I can also discuss propositions for new “lessons” on subjects that are easily accessible for everyday observation – shopping in grocery stores, taking dance lessons, going to the theater, or other subjects that participants bring to the workshop.

No reading is required but please bring a personal computer and headphones to facilitate in-class work.

Link to SELIN: https://projects.switch.ch/aaa/projects/detail/UNINE.2

Kontakt: ellen.hertz@unine.ch (email)

Situationsanalyse

Ursula Offenberger, Universität Tübingen

Die Situationsanalyse, ausgearbeitet insbesondere von Adele Clarke (2012; Clarke, Friese und Washburn 2015 und 2018), versteht sich als Weiterentwicklung der Grounded Theory im Anschluss an Anselm Strauss. Sie wird der zweiten Generation von US-Grounded-Theory-Forschenden zugeordnet (vgl. Morse et al. 2009) und erhebt den Anspruch einer Grounded Theory nach dem postmodern (Clarke 2012) bzw. nach dem interpretive turn (Clarke et al. 2018), insbesondere weil sie Entwicklungen und Veränderungen in sozialtheoretischen Debatten seit den 1970er Jahren stärker berücksichtigt (vgl. hierzu Offenberger 2019). Zugleich wird die dichte Bezogenheit von Grounded Theory und Symbolischem Interaktionismus/Pragmatismus betont und mit dem systematischen Einbezug der Soziale Welten-/Arena-Theorie in situationsanalytisches Arbeiten umgesetzt.

Im Forschungsatelier ordnen wir die Situationsanalyse zunächst in ihren Entstehungskontext der US-Methodendebatte ein und fragen nach dem Stand der deutschsprachigen Rezeption. Danach diskutieren wir anhand von praktischen Beispielen aus den Projekten der Teilnehmenden Bedeutung und Vorgehen der von Clarke vorgeschlagenen Mapping-Strategien (Situationsmaps, Soziale-Welten-Arena-Maps und Positionsmaps). Außerdem nehmen wir Implikationen einer situativistischen Grounded Theory für Prozesse des theoretischen Samplings, von theoretischer Sensibilität und der Involvierung der Forschenden ins Forschungsgeschehen in den Blick.

Kontakt: ursula.offenberger@uni-tuebingen.de (E-Mail)

Literatur

  • Clarke, Adele. E. (2012). Situationsanalyse: Grounded Theory nach dem Postmodern Turn. Wiesbaden: Springer VS.
  • Clarke, Adele E., Friese, Carrie & Washburn, Rachel (Hrsg.). (2015). Situational analysis in practice: mapping research with Grounded Theory. Walnut Creek, Cal.: Left Coast Press.
  • Clarke, Adele E., Friese, Carrie E. & Washburn, Rachel S. (2018). Situational analysis : grounded theory after the interpretive turn (Second edition). Sage.
  • Morse, Janice M., Noerager Stern, Phyllis, Corbin, Juliet, Bowers, Barbara, Charmaz, Kathy & Clarke, Adele E. (2009). Developing Grounded Theory. The Second Generation. Walnut Creek, CA: Left Coast Press.
  • Offenberger, Ursula (2019). Anselm Strauss, Adele Clarke und die feministische Gretchenfrage. Zum Verhältnis von Grounded-Theory-Methodologie und Situationsanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 20(2), Art. 6.